Werke von Martinů, Pichl, Vanhal und Leistner-Mayer

Streichtrios aus Böhmen

Deutsches Streichtrio

Rubrik: Rezension
Verlag/Label: TYXart TXA22168
erschienen in: das Orchester 6/2023 , Seite 72

Das Deutsche Streichtrio widmet sich auf dieser CD der Musik böhmischer Komponisten des 18. bis 21. Jahrhunderts. Vanhals Divertimento und Pichls Streichtrio stammen aus einer Zeit, als klassische Musik auch Unterhaltungsmusik war. Die Violine spielt zumeist die Melodien oder brilliert mit schnellen Läufen; Bratsche und Cello übernehmen das Klangfundament. Vanhal und Pichl „spielen“ geistvoll mit den vorgegebenen Rollen der Instrumente und überraschendem Ausbrechen aus den Konventionen. Die Hörer:innen stellen beglückt fest, dass die sogenannte Ernste Musik auch Vergnügen bereiten kann. Ingolf Turban brilliert mit leichtem und flexiblem Violinton und sprechender Artikulation. Reiner Ginzel am Cello und Jürgen Weber an der Bratsche verleihen den Begleitfiguren mit rhythmischer Finesse und tänzerischem Elan ihre Bedeutung und nehmen es an Virtuosität mit der Violine auf, wenn ihr Instrument die melodische Führung erhält.
Den beiden Werken aus der Klassik stehen zwei des 20. und 21. Jahrhunderts gegenüber. Bohuslav Martinůs Streichtrio Nr. 2 beginnt mit einem expressiv aufgeladenen Anfangsthema, in das die moderne Welt durch dissonante Klänge und eine Verunsicherung der Tonalität eindringt. Doch ebenso tauchen an Volksmusik erinnernde Melodien wie eine ferne Erinnerung auf. Das Deutsche Streichtrio trägt diese Musik mit höchster Intensität und Sinn für vielfältige Klangschattierungen vor. Im zweiten Satz spielen Cello und Bratsche zunächst allein ein höchst ausdrucksvolles Thema. Diesem introvertierten Anfang steht ein dissonantes, in motorischem Rhythmus dahinjagendes Allegro gegenüber, das zu einem volksliedhaften, ruhigen Largo führt. Turban, Ginzel und Weber verstehen es, diese kontrastierenden Abschnitte so zu einem Ganzen zu verbinden, dass eine Erzählung in Tönen und Klängen entsteht.
Roland Leistner-Meyers 3. Streichtrio beginnt mit einem rhythmisch mitreißenden Allegro concitato. Voller Intensität, Wildheit und halsbrecherischer Virtuosität jagen die drei Musiker durch entfernteste Harmonien und wechselnde Polka- und Zwiefachenrhythmen. Sie lassen im zweiten und dritten Satz die Hörer:innen mit beglückend schönen Melodien aufatmen, um sie dann im Presto agitato in ein dramatisches Geschehen hineinzuziehen, das mit motorisch drängenden Rhythmen, raumgreifenden Melodien und vielfältigen Klangschattierungen bis zum letzten Ton die Spannung hält.
Die stilistisch so unterschiedlichen Werke passen wunderbar zusammen. Sicherlich sind dafür das Spiel der drei Kammermusiker, ihre sprechende Artikulation und ihr Sinn für die großen Zusammenhänge verantwortlich – aber vielleicht ist es auch die Herkunft der vier Komponisten aus Böhmen. Ein Hörgenuss ist diese CD allemal.

Franzpeter Messmer