Thoma, Xaver Paul
Streichsextett op. 130
Partitur
Es mag in heutiger Zeit anachronistisch wirken, sich als Opuskomponist zu begreifen, gibt es doch für Komponisten nach Bernd Alois Zimmermann keine Verpflichtung mehr, einen Stil zu wahren, insistieren viele Komponisten darauf, heterogen zu schreiben, bezogen auf den jeweiligen Anlass, ob nun für Bühne, Konzert oder Pädagogik. Eine einheitliche Opusliste entsteht so nicht, und nicht erst Hanns Eisler gab das Durchzählen seiner Stücke auf. Gleichwohl ist in unserer postmodernen Pluralität dies auch opportun.
Xaver Paul Thoma, Jahrgang 1953, auch als Bratscher und Musikpädagoge tätig, hat über 150 Kompositionen für überlieferte Besetzungen geschrieben, hier legt er ein Streichsextett vor. In einem knappen Vorwort verweist er auf Zusammenhänge zwischen seinen Werken, formuliert die durchaus romantische Idee, letztlich nur ein einziges Stück zu schreiben in unterschiedlichen Ausprägungen.
Dieses Streichsextett enthält vier Sätze. In einer Introduktion wird ein aufsteigendes Motiv entwickelt, variiert durch die Stimmen geführt, auch gespiegelt und unterbrochen. In den Zusammenklängen sucht Thoma oft Komplementärtöne, aber auch Quarten sowie mit Dissonanzen versehene traditionelle Klänge treten auf. Das Scherzo tenebroso gibt sich mit chromatischen Tonleiterausschnitten sowie parallelen Quinten und Oktaven archaisch und wild, um am Ende zu verdämmern. Im dritten Satz, einem Adagio, erscheinen sehr heterogene Materialien, die zum Teil Früheres aufnehmen. Das Finale Enigma startet in freiem Tempo mit Vierteltönen, später setzt sich ein an Schostakowitsch erinnerndes Staccato-Motiv durch, das auch kontrapunktisch durchgeführt wird.
Thomas Sextett ist nur von professionellen Musikern realisierbar. In seinem Gestus gemahnt es an den Expressionismus, die Melodik neigt zu großen Intervallen, in der Dynamik werden oft die Extreme gesucht. Klangeffekte wie Spiel am oder hinter dem Steg, col legno battuto, Tremoli, Arpeggien, Triller, Bartók-Pizzicato u.a. sorgen für Abwechslung. Der Tonsatz ist recht dicht, es gibt wenig Pausen. Die Koordination im Zusammenspiel stellt, insbesondere im ersten und dritten Satz, bedingt durch häufige Wechsel der rhythmischen Gestalten sowie der Taktarten eine Herausforderung dar. In der Formgebung ist Thoma oft kleinteilig und assoziativ, innerhalb der Sätze tauchen immer wieder Reminiszenzen auf, vor allem in der Melodik und der Setzweise. Diese Komposition, klanglich oft recht herb, erzielt bei einer guten Aufführung sicher einen intensiven Eindruck beim Publikum.
Christian Kuntze-Krakau