Reissiger, Carl Gottlieb

Streichquintett G-Dur op. 90 (1833)

für zwei Violinen, Viola und zwei Violoncelli (oder zwei Viole und Violoncello), Erstdruck, hg. von Christian Vitalis, Partitur/Stimmen

Rubrik: Noten
Verlag/Label: Dohr, Köln 2010
erschienen in: das Orchester 01/2011 , Seite 68

Von all den zahlreichen kammermusikalischen Werken Carl Gottlieb Reissigers, worunter sich u.a. über zwanzig Klaviertrios und acht Streichquartette befinden, ist lediglich das Streichquintett G-Dur op. 90 aus dem Jahr 1833 der Nachwelt überliefert. Nun gab Christian Vitalis erstmals die Partitur dieses Werkes heraus. Bei der Entscheidung, entweder die Bratsche (wie beispielsweise bei Mozart, Beethoven, Bruckner, Brahms, Mendelssohn oder Dvor?ák) zu verdoppeln oder das Violoncello (Boccherini, Schubert oder Onslow), wollte Reissiger offenbar keinem Streicher den Vorzug geben und stellte es schließlich den Interpreten je nach instrumentaler Möglichkeit anheim, entweder die sehnsüchtig näselnde Bratsche zu verstärken oder das brummige Violoncello. Allerdings orientiert sich vorliegende Ausgabe „an der Besetzung mit zwei Violoncelli, gibt aber auch Änderungen in der Alternativstimme wieder, sodass dem Forscher wie dem Musiker beide Fassungen auf einen Blick verfügbar sind“. Auffallend ist hierbei die relativ hohe, teilweise überaus kantable Lage der ersten Cellostimme, um somit die Bratschenstimme nicht nur missmutig im Keller musizieren zu lassen. Selbstverständlich wird diese als Sechserpack eigens mitgeliefert.
Da es im 19. Jahrhundert und bis ins 20. hinein Usus war, lediglich Stimmen zu drucken und keine Partitur, wollte der Herausgeber, wie er im Kritischen Bericht erläutert, endlich „eine für Wissenschaft wie Praxis gleichermaßen interessante Ausgabe herstellen“. Dazu war selbstverständlich der moderne Notensatz ebenso unabdingbar, verbunden mit dem Hinweis, mit „Angleichungen und Veränderungen behutsam zu verfahren“. Ergänzungen wurden durch Strichelungen mancher Legatobögen oder sinnfälliges In-Klammer-Setzen der Akzente verdeutlicht. Zahlreiche Einzelanmerkungen dokumentiert der ausführliche Kritische Bericht.
Dabei ist die nicht sehr häufige Alternativstimme der Bratsche gut sichtbar, wenn auch zur Verdeutlichung etwas kleiner gedruckt als beispielsweise die Achtelketten in den Takten 94 bis 108 des Kopfsatzes oder ebenso die tenorgeschlüsselten Takte 202 bis 213 im Finalsatz. Verschiedene Bogenlängen wie in Takt 346 wiederum im ersten Satz sind mit Sternchen versehen und nachfolgend in einer Fußnote erklärt oder es wird, wie an anderer Stelle, auf den Kritischen Bericht verwiesen.
Wem sowohl der Komponist als auch dieses Werk unbekannt sind, für den sei kurz erwähnt, dass es sich hier nach Auskunft Christian Vitalis’ um ein in seinen Anlagen traditionelles, viersätziges Werk mit Sonatenhauptsatz, Scherzo, einem Adagio und abschließendem Rondo handelt. Signifikant ist die Tonartendisposition einer Terzverwandtschaft, wie sie seit der Frühromantik – und besonders seit Schubert – üblich wurde sowie eine gewisse Vorliebe für alternierte Akkorde. Hiermit liegt ein für quintettfreudige Streicher durchaus bemerkenswertes frühromantisches Werk vor, das sich lohnen wird, es wieder aufzuführen.
Werner Bodendorff