Wilms, Johann Wilhelm

Streichquartette op. 25 Nr. 1 und 2

Partitur und Stimmen, hg. von Christian Vitalis

Rubrik: Noten
Verlag/Label: Dohr, Köln 2007
erschienen in: das Orchester 12/2007 , Seite 80

Sie umfasst inzwischen 29 Bände, exisitiert seit mittlerweile über 50 Jahren, wird von der Arbeitsgemeinschaft für Rheinische Musikgeschichte herausgegeben und widmet sich dem Schaffen älterer und weniger bekannter, dem rheinischen Lebenskreis zugehöriger Komponisten wie Johann Hugo Wilderer, Carl Leibl oder Norbert Burgmüller: die Reihe „Denkmäler Rheinischer Musik“. In dieser Reihe sind als Band 28 die beiden Streichquartette op. 25 von Johann Wilhelm Wilms in einer kritisch-revidierten Neuausgabe erschienen. Bereits vor drei Jahren waren die 7. Sinfonie in c-Moll des 1772 im rheinisch-bergischen Witzleben geborenen Komponisten, Pianisten und Musiklehrers veröffentlicht worden, vor Kurzem auch dessen Werke für Klavier solo.
Die beiden Streichquartette in g-Moll und A-Dur sind in Wilms’ Wahlheimat Amsterdam zusammen mit anderen Kompositionen wohl kurz nach der Jahrhundertwende entstanden und 1812 vom Verlag Kühnel in Leipzig publiziert worden. Wilms komponierte sonst vorwiegend für Klavier oder Flöte, und so stellt sich die Frage, warum er diese zwei – und nur diese – Werke für Streichquartett schuf. Zumal „Belgien und die Niederlande“, so der Herausgeber Christian Vitalis, nicht als „Mekka für Streichquartettkomponisten gilt“, denn trotz der Nachbarschaft zu französischer und deutscher Tradition gäbe es keine umfängliche Quartettproduktion. Vielleicht wollte Wilms sich einfach nur an diese „Königsdisziplin“ wagen, um „seine Karriere als Komponist vorwärts“ zu bringen.
In ihrer formalen Anlage sind sie traditionell viersätzig. Auch in der musikalischen Faktur hält sich Wilms an die klassischen Vorbilder eines Joseph Haydn (mit seiner motivisch durchbrochenen Arbeit) und Mozart, allerdings weniger an das Beethovens, dessen Quartette Wilms zu diesem Zeitpunkt kaum kennen konnte. Auch die Wahl der Tonarten erinnert an die Auseinandersetzung mit den Wiener Klassikern. Besonders das „schmerzensreiche“ g-Moll galt im 18. Jahrhundert bekanntlich als Herausforderung, woran sich die Komponisten wenigstens mit einem größeren Werk maßen. Wilms versuchte aber, sich aus dem Bann der Vorbilder zu lösen und mit den ihm zur Verfügung stehenden musikalischen Mitteln eine eigenständige, eher ariose, zeitweise sogar lyrische, noch vorsichtig romantisch anmutende, damals Mode werdende Tonsprache zu finden.
Notenspiegel und -bild sowohl der Partitur als auch des Stimmensatzes – hier unnötigerweise „modern“ als „Stimmenset“ bezeichnet – sind zufrieden stellend übersichtlich, praktikabel, sorgfältig und ausgezeichnet lesbar. Marginale Kritik üben könnte man an den oft zu weit von der Hauptnote stehenden Vorschlagsnoten, den zeitweise zu hoch stehenden Trillerkürzeln sowie an den im unregelmäßigen Abstand gedruckten Ziffern über den Triolen (Vl. 1 und Vla im IV. Satz des A-Dur-Quartetts, T. 168-169 bzw. T. 31).
Wenn auch in letzter Zeit einiges von Wilms’ Werken erschienen ist, wird er vermutlich dennoch eine Randfigur bleiben. Deshalb mögen Ensembles, die auf der Suche nach neuer Literatur sind, beherzt zugreifen, denn sie erwartet ein Beispiel guter musikalischer Handwerkskunst frühromantischer Art.
Werner Bodendorff