Schumann, Robert

Streichquartette Nr. 1-3

Rubrik: CDs
Verlag/Label: Thorofon CHT 2554
erschienen in: das Orchester 02/2010 , Seite 74

Als Ableger der Berliner Philharmoniker blickt das Philharmonia Quartett auf eine rege Konzert- und Aufnahmetätigkeit von inzwischen mehr als 20 Jahren zurück und hat sich längst den Ruf einer bedeutenden Quartettformation erspielt. Neben dem klassisch-romantischen Repertoire haben sich Daniel Stabrawa (1. Violine), Christian Stadelmann (2. Violine), Neithard Resa (Viola) und Jan Diesselhorst (Violoncello) – der leider unmittelbar nach dieser Aufnahme verstarb – vor allem der frühen Moderne mit viel beachteten Aufnahmen von Hindemith, Reger, Schulhoff, Szymanowski oder Schostakowitsch verschrieben. Mit Robert Schumanns dreiteiligem Quartett-Opus geht es nun zurück ins 19. Jahrhundert, zurück zu einer zyklischen Werk-Trias, die zwar zur Standardliteratur gehört, im Katalog jedoch ein seltsames Schattendasein fristet, wenn man sich die überschaubare Anzahl an Veröffentlichungen vergegenwärtigt.
Gleich in den ersten Takten des a-Moll-Quartetts werden die Vorzüge einer altgedienten Formation unüberhörbar: absolute Durchhörbarkeit und Transparenz in der polyfonen Einleitung; minutiöse dynamische Differenzierung und ein ganz natürliches Fließen der melodischen Bewegung drücken dem ganzen Kopfsatz ihren Stempel auf. Eine heiter-gelöste Grundstimmung beherrscht diese Antwort auf die drei Quartette Felix Mendelssohn Bartholdys (op. 44), der sich das Philharmonia Quartett mit unprätentiöser Genauigkeit und nicht nur, was Daniel Stabrawa betrifft, einer emphatischen Hingabe ans Melodische widmet.
Dass bei aller kammermusikalischen Durcharbeitung der kompositorischen Faktur (mit einer Vielzahl von Beethoven-Anklängen) der Geist des Liedes immer wieder die musikalischen Geschicke lenkt, offenbart sich im Adagio in Reinkultur. Ein Klavierlied in Zeitlupe sozusagen, deren emotionale Dichte und Expressivität das Ensemble auf vorderster Stuhlkante nachzeichnet. In den Forte-Passagen und rhythmisch akzentuierten Stellen von Scherzo und Finalsatz hätte man sich jedoch gelegentlich mehr Vehemenz gewünscht; hier üben sich die Berliner in vornehmer Zurückhaltung, welche die abgründigen Untertöne von Schumanns einmaligem Ausflug ins Streichquartett-Metier nur bedingt transportiert.
Dass das Philharmonia Quartett letztlich aber im Rahmen eines werkübergreifenden Spannungsbogens zu gezielten Steigerungen fähig ist, zeigt nicht nur der Kopfsatz des F-Dur-Quartetts mit einem leidenschaftlich erregten Seitensatz, sondern tritt vor allem im rhapsodischen Wechselspiel von dramatischer Geste und lyrischer Entspannung des dritten Quartetts in A-Dur auf den Plan, dessen Gedankenvielfalt die konventionellen Formschemata hinter sich lässt. In dessen Adagio molto, dem vielleicht gewichtigsten aller Quartett-Sätze Schumanns, verschmelzen Form und Gehalt beim Philharmonia Quartett zu einer Ausdrucksintensität wie aus einem Guss.
Dirk Wieschollek

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