Einem, Gottfried von
Streichquartette No. 2 op. 51/No. 4 op. 63/Streichquartette No. 1 op. 45/No. 3 op. 56/No. 5 op. 87
Bei dem Musiktheaterkomponisten Gottfried von Einem, der mit Dantons Tod, Der Prozess oder Der Besuch der alten Dame wichtige Beiträge für die Bühne geschaffen hat, wird sein weiteres umfangreiches Werk weit gehend ignoriert. Beim Label Orfeo, das sich auch mit Einspielungen von Dantons Tod und dem Prozess für den 1918 geborenen österreichischen Komponisten, der in Deutschland bei Boris Blacher ausgebildet wurde, eingesetzt hat, ist nun auf zwei CDs eine hervorragende Einspielung der fünf Streichquartette Gottfried von
Einems erschienen.
Zwar hat bis zu seinem Lebensende 1996 das Musiktheater einen beachtlichen Anteil an dem umfangreichen uvres des Komponisten eingenommen, dennoch sollte man die fünf Quartette nicht gering schätzen. Sie stehen ebenso wie das gesamte Werk Gottfried von Einems zwar in einem durchgängigen Traditionsbezug
so wird beispielsweise der Raum einer erweiterten Tonalität nicht überschritten , mit Labeln wie konservativ oder epigonal wird man der Musik aber nicht gerecht. Formal weit gehend an der Tradition der Gattung orientiert, überrascht von Einem immer wieder durch seine prägnant-packende Rhythmik, die ansprechende Melodik, die Vitalität seiner Quartette, deren expressiver Gestus gelegentlich auch an den der frühen Schönbergschule erinnert. Es ist ein Wiener Tonfall von Schubert, den er mehrfach zitiert, bis zu den Anfängen der Zweiten Wiener Schule bemerkbar.
Im Vergleich mit den Musiktheaterwerken des Komponisten, immerhin machte Dantons Tod schon 1947 bei seiner Uraufführung bei den Salzburger Festspielen Furore, widmete er sich dem Streichquartett erst relativ spät. Sein erstes Quartett op. 45 mit
einer Schubertreminiszenz entstand erst 1976, das zweite in
g-Moll op. 51 ein Jahr später. 1980 folgte op. 56, schon 1981 wurde sein viertes op. 63 uraufgeführt, während sein fünftes op. 87, komponiert 1989 bis 91, nach einer längeren Pause erstmals erklang.
Das Wiener Artis-Quartett mit dem Primarius Peter Schuhmayer, Johannes Meissl (Geige), Herbert Kefer (Viola) und dem Cellisten Othmar Müller hat sich mit den Quartetten intensiv befasst, diese nicht nur für eine Studioproduktion einstudiert, sondern sich auch im Konzert mit dem Werk von Einems, aber auch vieler anderer österreichischer Komponisten der zweiten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts intensiv auseinander gesetzt. So wirkt die Einspielung im Gegensatz zu manch anderen Projekten, die weniger bekannten Kompositionen gewidmet sind, in keiner Sekunde als Pflichtaufgabe. Vital, rhythmisch prägnant, bei aller zupackenden Expressivität aber immer um Klangschönheit bemüht, so geht das Quartett die technisch wie interpretatorisch anspruchsvolle Aufgabe an.
Ob in lyrisch gestimmten Momenten oder gelegentlich an avanciertere Spielweisen des 20. Jahrhunderts anknüpfenden Passagen, die vier Musiker zeigen sich in der Wiener Streichertradition verbunden. Klangfarbenreich, mit vollem, aber dennoch differenziertem Ton wird hier musiziert, die nötige Transparenz findet immer Beachtung, ohne dass dabei der Analyse zu viel Raum gegenüber einem emotional packenden Spiel gegeben würde. So ist nicht nur eine Gesamteinspielung entstanden, die vielleicht auch manch anderes Quartett dazu bringen könnte, sich mit den vernachlässigten Werken auseinander zu setzen; zugleich hat das Artis-Quartett mit den beiden CDs die Messlatte so hoch gelegt, dass es weitere Ensembles schwer haben dürften, diese Gesamtschau zu überbieten.
Walter Schneckenburger