Felix Mendelssohn Bartholdy
Streichquartett Nr. 2 und 6/Drei Lieder ohne Worte
Goldmund Quartet
Bereits in seinem 2023 erschienenen Schubert-Konzeptalbum hat das Goldmund Quartet die Aufnahme eines Streichquartetts mit Liedbearbeitungen verknüpft. Vergleichbar damit steht auch in der vorliegenden Produktion das Lied als instrumentaler Gesang im Zentrum: Drei von Jakob Encke für Streichquartett gesetzte Lieder ohne Worte Felix Mendelssohn Bartholdys – das Frühlingslied op. 62 Nr. 6, das Venetianische Gondellied op. 19 Nr. 6 und der Trauermarsch op. 62 Nr. 3 – bilden den Dreh- und Angelpunkt, die gedankliche und emotionale Mitte, um die jeweils ein frühes und ein spätes Streichquartett gelagert sind. Mit dieser Anordnung weisen die vier Musiker darauf hin, wie stark und variantenreich sich die liedhaften Elemente von Mendelssohns Tonsatz auch in Kompositionen niederschlagen, die einem anderen Gattungskontext entstammen.
Besonders deutlich ist dies im 1827 komponierten Streichquartett a-Moll op. 13, dessen Ausgangs- und Zielpunkt Mendelssohns eigenes Lied Frage bildet. Bereits beim Vortrag dieser kompositorischen Grundlage wissen die Musiker mit einer überraschenden Vielschichtigkeit an Farbwerten zu überzeugen. Die klanglichen Spuren, die das Ensemble legt, werden in den kontrapunktischen Fakturen und seufzerartigen Melodiebildungen der nachfolgenden Sätze ebenso zur Geltung gebracht wie in den dramatischen Accom- pagnato-Rezitativen des Finales. Überhaupt erweist sich der markante Umgang mit Klangfarben und dynamischen Schattierungen als zentral für die gesamte Interpretation: Indem die Musiker beispielsweise das Gegeneinander von paarweise geführten Instrumentalstimmen immer wieder durch kontrastierende Modi der Klanggebung – etwa mittels klanglicher Fahlheit und warmem Vibratoklang – zuspitzen oder ein einzelnes Instrument mit zentralen Motiven kurzzeitig aus dem Kollektivklang heraustreten lassen, entfaltet der Tonsatz eine bisweilen phänomenale Plastizität und Lebendigkeit.
Dieser Ansatz bestimmt auch die Interpretation der drei Lieder ohne Worte und die Wiedergabe des 1847 kurz nach dem Tod der Schwester Fanny entstandenen Streichquartetts f-Moll op. 80. Bei Letzterem rückt noch stärker als bei op. 13 die Herausarbeitung dramatischer Momente in den Fokus: Während die pulsierende Unruhe in Kopfsatz und Scherzo zu fast schon furiosen Klangeruptionen drängt, begegnen die Musiker den Momenten der Klage – greifbar auch hier in rezitativischen Einsprengseln und Seufzermotiven – mit zartesten Schattierungen. Zwar sind die drei zentral positionierten Klavierstück-Bearbeitungen demgegenüber aufgrund ihrer Nähe zum Kunstlied weniger komplex, doch wird dies dadurch neutralisiert, dass ihre Abfolge einer musikalischen Logik folgt, die vom frühlingshaften Überschwang zum Tod führt, auf engem Raum also das zusammenfasst, was auch das Gegenüber von frühem und spätem Streichquartett prägt.
Stefan Drees


