Smetana, Bedrich / Leos Janacek
Streichquartett Nr. 1 e-Moll / Streichquartett Nr. 2
Was an dieser Platte von Beginn an begeistert, sind die Interpreten. Das Hába Quartett musiziert die beiden Meisterwerke mit einer solchen Innigkeit und Leidenschaft, mit einer derartigen Frische und Besessenheit, als ginge es um eigene Herzensergießungen und Lebensläufe. Freilich: Diese klingenden Autobiografien bieten ihnen ideale Spielräume. Der Böhme und der Mähre, das Leben und die Liebe, Nostalgie und Träumerei vieles schwingt in und zwischen diesen Quartetten mit und tritt in der Musik zutage: die Absicht, persönliche Bekenntnisse einfließen zu lassen und zu übermitteln; der kreative Umgang mit der Gattung, die Liebe zur Folklore, eine poetische Bildhaftigkeit.
Ein halbes Jahrhundert trennt die Werke voneinander. Bedrich Smetanas 1. Streichquartett Aus meinem Leben (1876) trug, obwohl zunächst als unspielbar geltend, zur Berühmtheit des Komponisten bei wie Die verkaufte Braut auf der Opernbühne oder Mein Vaterland im Konzertsaal. Eine Musik, getrieben von jugendlichem Überschwang und hoffnungsvollem Elan, reich an lyrischen Szenen, mit einer schwungvollen Polka als zweitem und einem schwärmerischen Liebesgesang als drittem Satz und einem dramatischen Finale, in dessen Lebensstürme und Glücksmomente das hohe e’ der Violine verstörend eindringt als Symbol für Smetanas Ertaubung und Übergang zu den resignierenden Schlusstakten.
Kommt da ein ganzes Lebensschicksal in klassischer Form und Vollendung zum Vorschein, so thematisiert das 2. Streichquartett (1928) von Leos Janácek allein die Beziehung zu Kamila Stösslová, seiner “Kamila-Muse”. Diese Intimen Briefe offenbaren aber eher konfliktreiche Empfindungen und eine ewige Sehnsucht nach Erfüllung was die Realität dem Komponisten nicht gewähren wollte, schlägt sich in seinen Tönen nieder. Auch dieses Stück besitzt vier Sätze; keiner jedoch hält das Grundtempo oder die Taktart durch. Knappe Motive, ungestüme Gesten und Sprachmelos auf engstem Raum, monologische Partien und dialogische Verdichtungen, szenische Momente und filmartige Schnitte lassen eine anhaltende Unrast und Zerrissenheit erkennen. Aufruhr wechselt mit Zärtlichkeit, Ekstasen münden in ätherische Klangräume, Dissonanzen schärfen den Schmerz und tragen zur Modernität der Musik bei. Konfliktreich und obsessiv scheint diese Zweisamkeit, von der die Briefe künden und die sie beschwören wollen.
So tut sich den Interpreten bei Smetana wie bei Janácek ein Kosmos existenzieller Gefühle, musikalischer Ausdrucksbereiche und spieltechnischer Finessen auf. Und das Hába Quartett, dessen Wurzeln 1946 in Prag lagen und das heute von Frankurt am Main aus die Konzersäle der Welt bereist, schreitet ihn in dieser brillanten Neuaufnahme souverän und atemberaubend aus. Das Spiel von Sha Katsouris, Hovhannes Mokatsian, Peter Zelienka und Arnold Ilg besticht durch klare Konturen, sensible Färbungen und ein untrügliches Gespür für die Eigenarten und Reichtümer dieser klein besetzten und groß ambitionierten Tondichtungen. Mitreißend!
Eberhard Kneipel