Puhlmann, Albrecht (Hg.)
Staatsoper Stuttgart 2006-2011
Kristallisationen
Wenn einem schon die Mitwelt keine Kränze flicht, dann muss man es wohl selber tun! Das mag sich Albrecht Puhlmann gedacht haben, als ihn die Stuttgarter Staatsoper wissen ließ, sein Vertrag würde über 2011 hinaus nicht verlängert werden. Was sonst vor allem verdienten Wissenschaftlern z.B. anlässlich der Emeritierung dediziert wird, eine Festschrift, das schenkt sich Puhlmann der Einfachheit halber zu seiner Entlassung selbst und ist somit Herausgeber wie Geehrter in Personalunion.
Zur Vorgeschichte, insofern sie als Geburtshelferin des vorliegenden Buches herangezogen werden kann: Im Jahr 2009 ging in Stuttgart das buchstäblich über die Bühne, was die einen als unglaubliche Posse, die anderen als Kulturskandal zu bezeichnen sich nicht enthalten konnten. Die in der Theaterwelt seit eh und je heimische Mischung aus Neid, Missgunst und Parteienklüngel, in diesem Falle gepaart auch mit einer gewissen Konzeptlosigkeit, aber auch einer Pechsträne Puhlmanns, führte dazu, seinen Intendantenvertrag über 2011 hinaus nicht zu verlängern.
Nun also Puhlmanns Husarenstückchen das Buch, das, um es vorwegzunehmen, prachtvoll geraten ist! In dem aufwändig gestalteten Halbleinenband im Querformat findet sich zu jeder der unter Puhlmann inszenierten Opern nicht nur der nachgedruckte Programmzettel, sondern auch ein atemberaubend schönes Bühnenfoto. Dazu eine Übersicht über die Sonderveranstaltungen und sogar über die von seinem Widersacher, dem Stuttgarter GMD Manfred Honeck gegebenen symphonischen Konzerte. Das steht dann wohl für menschliche Größe
Zu einer Festschrift gehört gemeinhin auch eine Tabula gratulatoria, die hier in der Varietät faksimilierter schriftlicher Sympathiebekundungen von Weggefährten, Kolleginnen und Kollegen, Regisseuren, Komponisten, Sängerinnen und Sängern, Verehrern und Freunden an Puhlmann herangetragen werden.
Einem Rückblick des sich selbst ehrenden Geehrten folgen auch hier einer Festschrift nicht unähnlich sich mehr oder weniger wissenschaftlich gerierende Beiträge, die teils die vergangenen fünf Stuttgarter Jahre reflektieren, teils tiefer schürfen. So Christoph Türckes lesenswerter Beitrag Zurück zum Geräusch, in dem er auf die allerfrüheste Entstehung von Musik rekurriert und deren Anfänge im Sakralen vermutet. Der schlichtesten Lösung räumt er dabei aber leider keinen Platz ein: dass nämlich die ersten Menschen sich irgendwann ihrer unterschiedlichen Stimm- und Tonhöhen bewusst geworden sind, mehr oder weniger zufällig etwas gesummt und so die erste Melodie geschaffen haben.
Ob die Opernbegeisterung des Stuttgarter Publikums so weit gehen wird, sich dieses hochpreissegmentige Erinnerungsbuch zuzulegen, darf füglich bezweifelt werden. So wird es wohl dessen Hauptzweck sein, Albrecht Puhlmann anderenorts wieder einen Zugang zu den Bühneneingängen zu verschaffen.
Friedemann Kluge