Büchter-Römer, Ute

Spitzenkarrieren von Frauen in der Musik

Rubrik: Bücher
Verlag/Label: TOP Music/Ricordi, München 2011
erschienen in: das Orchester 01/2012 , Seite 59

Wie kann es Frauen gelingen, als Sängerinnen, Instrumentalistinnen, Dirigentinnen und Komponistinnen zur internationalen Elite aufzusteigen? Historisch betrachtet würde die Antwort zunächst einmal lauten: Es hängt von den gesellschaftlichen Bedingungen ab, von Ausbildungsmöglichkeiten, vom Zugang zu Institutionen. So kann sich eine Sängerin einer bereits Jahrhunderte alten Tradition gewiss sein, während Karrieren von Dirigentinnen und Komponistinnen erst seit wenigen Jahrzehnten möglich sind – Ergebnis der Neuen Frauenbewegung, die das gesellschaftliche Bewusstsein dafür geschärft hat, dass Frauen in diesen Berufen genauso erfolgreich sein können wie Männer.
Ute Büchter-Römer, Professorin an der Universität Köln, geht von subjektiven Bedingungen aus: Was bringt einen jungen Menschen dazu, sich ganz der Musik zu widmen? Welche Ereignisse und Erlebnisse stellen die Weichen für die Musikkarriere? Wie greifen Begabung, Förderung, Leidenschaft, glückliche Fügung und eiserner Wille ineinander? Sie hat dazu zehn Spitzenmusikerinnen interviewt und ihre Ergebnisse ergänzt durch sechs Porträts, die auf bereits vorliegenden Publikationen fußen. Die Antworten bestätigen im Wesentlichen die Aussagen der wissenschaftlichen Literatur (die zu Anfang referiert werden), sind aber auch persönlich gefärbt. So betont Sofia Gubaidulina, „sie habe nicht über materielle Dinge nachgedacht, die Motivation war die Musik, die Entwicklung von Können und Kenntnissen“. Brigitte Fassbaender, Sängerin und Intendantin, antwortet auf die Frage, ob es eine Erfolgsstrategie gebe: „Überhaupt nicht!
Es gibt nur Begabung und Fleiß!“ „Begabung, Förderung, Leidenschaft, Arbeit, Wille und Freude zu singen, Menschen mit dem Klang zu berühren“, nennt die Sängerin Christiane Oelze. „Erfolg ist Arbeit, hartes Üben, Entwicklung der Selbstsicherheit und Selbstgewissheit, eine menschliche Entwicklung, die musikalische Ehrlichkeit entstehen lässt“ – so das Statement der Cellistin Sol Gabetta, der jüngsten unter den befragten Musikerinnen.
Die biografischen Skizzen erzählen von geradlinigen Entwicklungen und außergewöhnlicher Unterstützung im Elternhaus wie etwa bei der Komponistin Isabel Mundry und der Klarinettistin Sabine Meyer, aber auch von steinigen Wegen wie demjenigen von Edita Gruberova und anderen Musikerinnen aus Osteuropa. Am Beispiel von Anna Netrebko werden zu Recht auch Marktmechanismen angesprochen, und Brigitte Fassbaender bringt sie, nach fünfzig Jahren erfolgreichen Wirkens, auf den Punkt: „Heute wird die Sängerwelt von Models bestimmt, die Verpackung ist wichtiger als der Inhalt. Ein gestyltes Hochglanzfoto suggeriert die glanzvolle Karriere.“ Das sei allerdings kein Ersatz für „eine solide Ausbildung und das Wachsen und Reifen in einem festen Engagement“, den „besten Voraussetzungen für eine langfristige Karriere“.
Freia Hoffmann