Tschaikowsky, Peter Iljitsch
“Souvenir de Florence” op. 70 / Serenade C-Dur
Seit Beginn der Spielzeit 2002/03 ist Ruben Gazarian der Künstlerische Leiter des traditionsreichen Württembergischen Kammerorchesters Heilbronn und als solcher Nachfolger von Jörg Faerber. Gazarian wurde 1971 in der armenischen Hauptstadt Eriwan geboren, lernte dort unter anderem bei dem Primarius des berühmten Borodin-Quartetts, Ruben Aharonian. Noch während des Studiums erhielt er einen Sondervertrag als Vorspieler und Solist des Staatlichen Kammerorchester Armeniens. 1992 setzte er sein Violinstudium an der Hochschule für Musik und Theater Felix Mendelssohn in Leipzig fort, nach dem Konzertexamen 1995 dann in Dirigieren, 1998 mit der Höchstnote absolviert. Zu diesem Zeitpunkt war er schon fünf Jahre Erster Konzertmeister des Westsächsischen Symphonieorchesters Chemnitz wurde 1999 zu dessen Chefdirigenten gewählt und war damals der jüngste Chefdirigent Deutschlands.
Dies ist schon die zweite CD des Armeniers mit seinen schwäbischen Streichern, und diesmal wurde opulentes osteuropäisches Repertoire in SACD-Aufnahmetechnik gewählt. Es geht um Tschaikowskys Streichsextett Souvenir de Florence op. 70 und seine Serenade für Streichorchester C-Dur op. 48. Zwei Werke, die jeweils gut eine halbe Stunde dauern und ihren doch recht hohen Anspruch hinter einer teilweise fast gefälligen Fassade verbergen. Im Sextett zeigt der Komponist eher sein Heimweh nach Russland als Postkarten aus Italien. Vor allem aber löste er die knifflige Aufgabe, kontrapunktisch und durchsichtig für je zwei Violinen, Violen und Violoncelli zu schreiben weshalb in dieser chorischen Einspielung des Souvenir sehr richtig auf Kontrabässe verzichtet wurde, um die Klangbalance zu wahren. Außerdem werden im langsamen Satz die richtigen Stellen wieder solistisch von Violine (David Schultheiß), Viola (Irene Lachner) und Cello (Gabriel Faur) ausgeführt.
Die Interpretationen springen uns Hörer an mit kraftvollem Ton und treibenden Tempi, gemäß der russischen Redensart Mit Saft und Kraft. Gazarian geht an die Grenze zum Gehetzten, ohne diese jemals zu überschreiten. Das passt zu Tschaikowsky, dessen Größe dadurch erfahrbar wird. Wir erleben auch, wie doppelbödig die vordergründig so klassizistische und volkstümliche Serenade ist. Schade nur, dass selbst Piano-Passagen hier oft schon so laut sind, dass kaum Spielraum mehr für Steigerungen scheint (bis zu vierfachem Forte ist vorgeschrieben).
Wie willig und freudig das Württembergische Kammerorchester dies alles mitmacht, ist höchst hörenswert. Bald denkt man als Orchester-Tester nicht mehr nach, wie die Heilbronner denn nun musizieren, so selbstverständlich wirkt es. Andere Kammerorchester mögen einen blühenderen Streicherklang haben flexibler sind wohl wenige. Bestes Beispiel: Der Komponist wollte seine Serenade von so viel Ausführenden wie möglich gespielt haben mit der Besetzung 6-5-6-6-2 bleibt es aber wirklich kammermusikalisch im Sinne von miteinander ausgehört, ohne an Klangfülle zu fehlen, wie wir hier (im Souvenir sowieso) hören können. Sympathisch übrigens das Orchesterfoto im Beiheft, das die Musiker im Probenraum (der Heilbronner Harmonie) und in Alltagskleidung zeigt.
Ingo Hoddick