Souvenir d’Amérique
Von der Pionierzeit zur Avantgarde, das heißt von Stephen Foster im frühen 19. Jahrhundert bis zum Experiment des späten John Cage: Der Geiger Friedemann Eichhorn und der Pianist Andreas Frölich kommen auf ihrer CD Souvenir dAmérique mit großer Spannweite daher und doch ohne die ganz großen Namen aus. Kein Ives, kein Ellington, kein Bernstein, kein Glass, aber es rundet sich ein gutes Bild. Immerhin mit George Gershwin! Dass aber bei der am Anfang stehenden Auswahl der Stücke aus seiner Oper Porgy and Bess das viel strapazierte Summertime fehlt, passt zur Suche der beiden kammermusikalisch erfahrenen Musiker nach interessanten Raritäten. Den jazzigen Touch vieler seriöser US-Komponisten bekommt der Hörer gleich mit bei It Aint Necessarily So und Tempo di Blues mit der Melodie Theres Boat Thats Leaving Soon for New York. Das lyrische Bess You Is My Woman Now spielt der Geiger mit sinnlichem Ton, in sanftem Rubato vom Pianisten begleitet.
William Kroll (1901-1980), selbst Primarius eines Quartetts, hat in seinem kurzen, witzigen Banjo and Fiddle pikante Rhythmen mit hübschen melodischen Bögen verbunden. Stephen Foster (1826-1864) war ein Urvater der Musik in den USA und Komponist vieler populärer Songs. Das auf der CD gebotene Lied Jeanie with the light brown hair wurde von dem großen Jascha Heifetz arrangiert, von dem auch die Gershwin-Bearbeitungen stammen. Ebenfalls ein Virtuose, der Belgier Henri Vieuxtemps (1820-1881), wurde bei einer Amerika-Tournee angeregt, Souvenir dAmérique, hier Titelstück, zu komponieren. In einer Mischung aus raffinierter Einfachheit und virtuosem Feuerwerk hat er den Yankee Doodle variiert.
Das Wiener Wunderkind Erich Wolfgang Korngold (1897-1957) wurde in den USA ab 1934 einer der erfolgreichsten Filmkomponisten, doch bei Much Ado About Nothing handelt es sich um eine Schauspielmusik: spätromantisch schweifendes Melos prägt Mädchen im Brautgemach, eine besinnliche Idylle ist die Gartenszene, dazu treten stampfend und wirbelnd zwei rhythmische Sätze. Der geborene Genfer Ernest Bloch (1880-1959) ist mit Nigun aus Baal Shem vertreten, einem guten Bei-
spiel für seine jüdische Bekenntnismusik. Das rhapsodisch ausdrucksstarke Stück will eine Geschichte erzählen ebenso wie der New Yorker John Williams (*1932) mit der Titelmelodie aus Steven Spielbergs Film Schindlers List, die das Duo bedächtig und mit tiefem Gefühl gestaltet.
Auch Südamerika wird angesteuert, und zwar mit drei Stücken der Tangomusiker José Bragato (*1915) und Astor Piazzolla (1921-1992). Trefflich nutzen sie die Gestaltungsmittel Farben und Timing, was Eichhorn und Frölich hörbar inspiriert. Der Filmmusiker Franz Waxman (1906-1967) lässt bei seiner Carmen Fantasy den Opern-Nummern innerhalb von zehn Minuten enorm spannungsreiche Weiterungen angedeihen. 4’33”, die berühmten tonlosen Minuten von John Cage (1912-1992), erfahren in 51 Sekunden eine Neuauflage als 0’00”. Immerhin: Rascheln, Klappern (Notenständer?) und Schritte im Studio sind zu hören.
Günter Buhles