Tom Waits

Songs. Little drop of poison

Rubrik: CDs
Verlag/Label: Universal Music 06025 3776824
erschienen in: das Orchester 10/2014 , Seite 76

Überschwänglich bedankt sich die Jazz-Prinzessin Rebekka Bakken beim verruchten Altmeister Tom Waits auf der Rückseite ihrer CD: „I have completely fallen in love with you, you are riding on an army of white horses with all those great songs.“ Eine Liebeserklärung, über die sich eingefleischte Waits-Anhänger vielleicht eher wundern. Die nämlich, die der Interpretation von Waits-Songs mit einer weiblichen Jazz-Stimme und Bigband eher skeptisch gegenüberstehen und das auch, wenn die Interpretin Rebekka Bakken heißt und als Drei-Oktaven-Singer-/Songwriter-Diva aus Norwegen die ganze Welt verzaubert.
Aber der Reihe nach: Das Tom-Waits-Projekt von Bakken entstand mit Arrangeur Jörg Achim Kellermann und der hr-Bigband zusammen. Dass die Sammlung den Titel Little drop of poison trägt, ist sinnbildlich
für dieses gewisse Etwas, das sowohl der Musik von Tom Waits als auch seinem Image als Künstler anhaftet: Eine Art Gebrochenheit, ein fatalistischer Zugang auch zu den Schattenseiten des Daseins. Der Titel, die Zusammenstellung der Songs und Bakkens Bewunderung für Waits zeigen, dass es hier nicht darum geht, Waits’ Musik umzudrehen oder in etwas völlig anderes zu transformieren. Warum nicht an eine Hommage denken?
Zugegeben, es ist schwierig, mit der Authentizität und Unmittelbarkeit, die Waits in seinen Songs kultiviert, mitzuhalten, aber Rebekka Bakken beweist Wandlungsfähigkeit und Farbigkeit: Im Titelsong verlässt sie das Gebiet des Schönklangs, das ohnehin eher von der strahlenden Bigband besetzt ist. In Broken bicycles klingt sie samtig schwer, traurig, wohingegen sie in Please, call me baby schwankt zwischen reifer Frau und kokettem Mädchen. Sie reibt ihre Stimme an der Glitzerwelt der Bläser, die besonders schön in den Riffs von Downtown hervortreten. Sie raunt, schnurrt, blafft, lässt in Bad as me ein dreckiges Lachen erklingen, lallt in Just the right bullets; sie tobt sich aus in den Waits-Songs, einem Areal, in dem alles möglich und nichts verboten ist. Richtig gefährlich klingt Rebekka Bakken dabei trotzdem nie.
Die Arrangements halten sich eng an die Originale und versuchen die Atmosphäre der Waits-Songs nicht nur der Gestaltung der Singstimme zu überlassen, sondern auch über Instrumentierung und Soli das gewisse Etwas zu transportieren: Zärtliche Flötentöne untermalen in Saving all my love for you, die bewusst lazy und dirty gespielten Sax-Soli liefern einen anderen Subtext zu Bakkens Stimme, und ein knurrendes Bariton-Saxofon in Kombination mit E-Gitarre machen den Unterschied in Hang on St. Christopher. Softe, an Barmusik erinnernde, meist auf Klavierbegleitung reduzierte Titel dominieren am Ende der Platte. Wem der launige, spritzige, technisch brillante Bigband-Sound gefällt, der wird auch seine Freude haben mit Bakkens Reifeleistung auf dieser CD. Wer auf den Glanz und Glamour der Bigband verzichten kann und es spartanischer, aber nicht weniger temperamentvoll mag, der bleibe lieber bei den Originalsongs von Tom Waits.
Desiree Mayer

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