Beethoven, Ludwig van
Sonaten für Violoncello und Klavier
Mit der Violoncellofassung der Hornsonate op. 17
Dass sich Konkurrenz geschäftsbelebend auswirkt, ist sprichwörtlich. Fraglos gilt dies auch für das Musikverlegergeschäft, doch kann, ja: muss es konkurrierende Urtext-Ausgaben geben? Hier liegen die Dinge eo ipso anders als in der Auto-, Elektro- oder Hightech-Branche, gilt es doch nicht primär, mittels neuer Produkte steigenden Bedarf und wachsende Bedürfnisse zu befriedigen, sondern kulturelle Urzustände vergangener Epochen zugänglich zu machen. Diese indes, so sollte man meinen, sind ein für alle Mal unmissverständlich fixiert, sodass eine Urtextausgabe lediglich als Wiederholungsprodukt einer anderen Urtextausgabe erscheinen mag. Die Praxis freilich zeigt ein anderes Bild. Häufig ist die Quellenlage uneindeutig, entsprechend schwierig gestaltet sich die Gewichtung der Quellen, d.h. des Autografs (soweit vorhanden) im Verhältnis zu den frühen Druckausgaben, zu Abschriften von fremder Hand und nicht zuletzt zu nachträglichen Veränderungen, die der Komponist selbst in verschiedenen Stadien der Werkgenese vorgenommen hat. Einer Urtextausgabe geht stets eine Quellendiskussion voraus. In gewissem Sinne stellt jede dieser Editionen eine Interpretation der jeweiligen Quellenlage dar, wobei sogleich betont werden muss, dass die Beachtung bestimmter Spielregeln wissenschaftlicher Disziplin und Seriosität selbstverständliche Voraussetzung für die Erstellung jeder Urtextausgabe ist.
In mancher Hinsicht stellt die vorliegende Neuedition der beethovenschen Cellosonaten (einschließlich der Bearbeitung der Hornsonate op. 17; nach den Quellen herausgegeben von Christiane Wiesenfeld; Klavier-Fingersätze und Hinweise zur Interpretation: Christian Ubber) ein belebendes Konkurrenzprodukt zu den bisher greifbaren Urtextausgaben dar: Mit Gewinn lesen wir im Vorwort Carl Czernys Hinweise zur Interpretation der Cellosonaten, entnommen seinem 1842 publizierten Essay Über den richtigen Vortrag der sämtlichen beethovenschen Werke für das Piano mit Begleitung, sowie einen ausführlichen Kommentar zu dieser bedeutsamen zeitgenössischen Quelle. Neben weiteren Pluspunkten plausible Darstellung der Quellensituation, umfangreicher Kritischer Apparat, kenntnisreiche Anmerkungen zu stilistischen Fragen , die freilich in unterschiedlichen Gewichtungen auch den Editionen von Henle und Bärenreiter zu konzedieren sind, bildet die von Heinrich Schiff eingerichtete Cellostimme eine exzellente Grundlage zur Erarbeitung des Celloparts nach Gesichtspunkten der Historischen Aufführungspraxis, d.h. nicht zuletzt unter weitgehender Beibehaltung zahlreicher vermeintlich unspielbarer Bogensetzungen. Hier wie auch bei den Fingersatzvorschlägen standen nicht Bequemlichkeit, Tradition oder ähnlich triftige Argumente obenan auf der Prioritätenliste, sondern vielmehr das Bemühen, Beethovens Text in größtmöglicher Genauigkeit umzusetzen. Ein gravierendes Manko etwa der Henle-Ausgabe die Einrichtung der Cellostimme nach hergebrachter Solistenmanier, nachgerade gegenläufig zur editorischen Grundintention konnte hier vermieden werden.
Gerhard Anders