Heucke, Stefan

Sonate “Wo die schönen Trompeten blasen”

für Trompete und Klavier op. 56

Rubrik: Noten
Verlag/Label: Schott, Mainz 2012
erschienen in: das Orchester 05/2012 , Seite 75

Zeitgenössische Kompositionen sind immer interessant im Hinblick auf die verwendete Stilistik. Im Zeitalter des „anything goes“, der Mischung verschiedenster Stile, besteht die Kunst darin, eine eigene formale Sprache zu finden. Heuckes Weg hierzu ist ein sich Annähern und sich wieder Entfernen vom Ausgangspunkt Mahler, dessen Lied „Wo die schönen Trompeten blasen“ aus Des Knaben Wunderhorn die musikalische Grundlage dieser Komposition bildet. Das Lied erzählt die wehmütige Geschichte eines jungen Soldaten, der sich von seiner Liebsten verabschiedet, um in den Krieg zu ziehen, und tut dies mit den Worten einer Todesprophezeihung: „Allwo dort die schönen Trompeten blasen, da ist mein Haus, mein Haus aus grünem Rasen.“ Allerdings ist dieses Werk eher als von Mahler inspiriert anzusehen denn als Adaption oder gar Arrangement der Urkomposition.
Obwohl durchkomponiert, besteht das 15-minütige Werk aus insgesamt zehn ineinander übergehenden Teilen, welche sich durch Tempo- und Taktwechsel unterscheiden. Elemente von Sonatenhauptsatzform, mehrteiliger Liedform und Variationsform verbinden sich zu einer freien Rhapsodie, die die verschiedenen Ebenen des Liedes auf vielfältige Weise ausdeutet und interpretiert. Alles in allem bietet diese Sonate mehr perkussive, stoßtechnisch anspruchsvolle Passagen als getragene Cantilenen.
Arpeggien in Doppel- und Triolenzunge bis zum klingenden c”’ müssen bewältigt werden.
Die Ausgabe enthält nur eine Stimme für Trompete in C. Angesichts der sehr chromatischen Anlage des Stücks besteht keine wirkliche Notwendigkeit, es nicht auch für die üblichere B-Trompete anzubieten. Hier stellt sich die Frage, ob Heucke sicherstellen wollte, dass dieses Werk auch wirklich nur von Profis angegangen wird oder ob die Auftraggeberin, die Trompeterin Griseldis Lichdi, die C-Trompete bevorzugte. Es wäre durchaus zu überlegen, hier noch eine B-Stimme beizulegen, um diesem Werk mehr Verbreitung zu ermöglichen. Für einen (angehenden) Berufsmusiker ist dieses Werk sicherlich eine machbare Herausforderung.
Etwas problematischer ist der Klavierpart, der, wie oft üblich bei modernen Kompositionen, sehr anspruchsvoll gestaltet ist. Das ist nichts, was man eben mal so vom Blatt spielt, das muss auch von Könnern geübt werden. In diesem Sinn sind beide Parts als gleichberechtigt anzusehen, was für ein eingespieltes Duo sicherlich reizvoll ist. Für andere Situationen, wie z.B. ein Abschlusskonzert an der Hochschule, wird es entweder eine sehr motivierte Begleitung oder einen offenen Geldbeutel erfordern.
Mathias Engl