Strauss, Richard
Sonate für Violine und Klavier, op. 18 Es-Dur
Eingerichtet für Flöte und Klavier von Emmanuel Pahud
Pahud spielt Strauss, und so wie ihm das mit dem Pianisten Eric Le Sage in ihrer 2003 veröffentlichten Einspielung gelungen ist, kann man diese Sonate tatsächlich als eines der herrlichsten Werke in Strauss Frühwerk bezeichnen, wie die Verlags-Werbung es tut, der man aber in diesem Fall nur zustimmen kann. Ohne das Vorbild der Aufnahme würde man sich vielleicht nicht an den Notentext trauen und so einen wunderbaren Zugewinn für das Flötenrepertoire verpassen. Schon das erste Anhören macht deutlich: Das ist für Flöte komponiert worden! Aufnahmen mit Violine betonen meist mehr das dramatische Element, hier werden die gesanglichen Qualitäten der Flöte hervorgehoben, die Pahud mit sehr variabel vibrierendem Ton vom süßesten Pianissimo zum kraftvollsten Fortissimo führt, dies immer in lebendiger Interaktion mit dem Pianisten.
Dass Strauss für die Flöte als Orchesterinstrument schreiben konnte, ist gar keine Frage. Kammermusik komponierte er aber nur wenig und hauptsächlich in seiner frühen Zeit. Die 1887 in München entstandene Violinsonate ist sein letztes Werk dieser Art. Kompositorisch gehört sie genau genommen nicht mehr zum Jugendwerk des Komponisten oder bildet zumindest dessen Grenze. War seine musikalische Entwicklung nach konservativer Einstimmung im Elternhaus folgerichtig von Brahms zu Wagner verlaufen, so lässt diese große dreisätzige Violinsonate Vorbilder höchstens ahnen, zeigt sich in jeder Beziehung selbstbewusst und für Strauss charakteristisch. Immerhin hatte er schon 1886 die erste Sinfonische Dichtung op. 16 Aus Italien komponiert, arbeitete im Lauf des Jahres 1887 an der ersten Fassung von Macbeth und im nächsten Jahr dann bereits am Don Juan, mit dem spätestens die Reihe der unverwechselbaren Werke beginnt.
Bei der Einrichtung der Violinstimme für die Flöte wurden im Wesentlichen geschickte Oktavierungen vorgenommen, um den Umfang der Flöte voll ausnutzen zu können (mit H-Fuß natürlich). Auch einige Doppelgriffe waren zu integrieren. Angenehm, nur vielleicht ein wenig beim zusammenhängenden Lesen störend ist der großzügige Notensatz in der neuen Flötenstimme, es sind 18 Seiten gegenüber den ursprünglichen acht. Im ersten Satz sollte man in der Flötenstimme die Artikulation nach der Klavierstimme korrigieren, ebenso einige falsch zugeordnete Taktzahlen sowie den überflüssigen Takt nach Takt 113. Weiter nicht ins Gewicht fallen ein paar kleine, Dynamik und Artikulation betreffende Unterschiede zur Violin-Ausgabe, die übrigens damals bei Aibl in München erschienen ist, einem Verlag, der 1904 von der Universal Edition übernommen wurde.
Die Wahl gerade dieser Sonate und ihre gelungene Bearbeitung ist eine Herausforderung für alle ambitionierten Flötisten. Dass Strauss sie nicht gleich für Flöte komponiert hat, ist zwar schade, aber jetzt kein Hinderungsgrund mehr, sie schnellstens kennen zu lernen.
Ursula Pesek