Skalkottas, Nikos
Sonate für Geige allein A/K 69 (1925)
Nikos Skalkottas hatte ein tragisches Schicksal: Als junger Musiker wurde er bewundert und schien ein glänzende Karriere vor sich zu haben. Bereits im Alter von zehn Jahren studierte er Violine am Konservatorium von Athen, mit 16 bestand er die Abschlussprüfung und setzte an der Berliner Musikhochschule bei Willy Hess sein Geigenstudium fort. Man sagte ihm eine große Karriere auf der Violine voraus. Doch er wandte sich dem Komponieren zu, studierte bei Kurt Weill, Philipp Jarnach und Arnold Schönberg, der ihn zu seinen begabtesten Schülern zählte. 1933 endete die unbeschwerte Berliner Zeit, Skalkottas kehrte nach Griechenland zurück und litt unter der dortigen Ablehnung seiner Musik. Er wurde depressiv, hielt sich als Orchestergeiger über Wasser und komponierte ein beachtliches Werk, das Orchester-, Kammer- und Vokalmusik umfasst, für die Schublade, ohne Chance der Aufführung. Heute erlebt das Werk des wohl bedeutendsten griechischen Komponisten, wie Herwig Zack, der Herausgeber der Violinsolosonate schreibt, eine zaghafte Wiederentdeckung, zu der die Universal Edition in Wien erfreulicherweise beiträgt.
Die Sonate für Geige allein entstand in dem Jahr, in dem sich Skalkottas entschloss, seine viel versprechende Geigenkarriere zu Gunsten des Komponierens aufzugeben. Er studierte damals Komposition bei Weill und Jarnach. Der erste Satz der Sonate ist ein Allegro furioso (quasi Presto) und muss in einem wahnwitzig schnellen Tempo gespielt werden. In seiner Faktur erinnert er an Max Reger und Paul Hindemith, also an die Entwicklung einer objektiv-sachlichen modernen Musik aus der Musiksprache des Barock. Skalkottas verwandte hier noch nicht Schönbergs Zwölftonmusik, komponierte jedoch atonal und schärfte den Klang durch oft harte Dissonanzen. Schon hier in diesem frühen Werk zeigt sich sein eigener Stil, der vor allem von der Betonung des Rhythmus und von starken dynamischen Gegensätzen geprägt ist. Fortissimo und akzentuiert herausgeschrieenen Achtelschlägen stehen zarte, piano und pianissimo gehauchte Klagemotive gegenüber, die sich zu einem Dolce-Mittelteil verbreitern. Dieser Satz wirkt expressionistisch und verlangt von seinem Interpreten technische Souveränität, virtuosen Zugriff und die Bereitschaft, sich auf die emotionale Zerrissenheit einzulassen. Die folgenden Sätze entfalten ein weites Spektrum violinistischer Kunst. Skalkottas erweist sich als ein Künstler, der gleichermaßen das Handwerk des Komponisten und des Geigers versteht und der darüber hinaus das Ausdrucksspektrum der Violine extrem bereichert.
Die Noten wurden vom Herausgeber und vom Verlag vorbildlich editiert. Die Fingersätze und Strichbezeichnungen des Komponisten im Autograf werden in der Ausgabe übernommen, was ihr Authentizität verleiht. Herwig Zacks Einführungstext ist informativ und bildet eine gute Grundlage für die Erarbeitung einer Interpretation.
Franzpeter Messmer