Eisler, Hanns
Sonate (Die Reisesonate)
für Violine und Klavier
Hanns Eisler komponierte die Sonate für Violine und Klavier, auch Reisesonate genannt, 1937. Er lebte damals im spanischen Exil, nachdem er 1933 vor den Nationalsozialisten aus Deutschland geflohen war. In Spanien entstanden außerdem Kampflieder für die Internationalen Brigaden im Bürgerkrieg. Eisler fühlte sich damals heimatlos, entwurzelt und war auf dem Sprung in die USA, wo er ab 1938 lebte und Bertolt Brecht, mit dem er befreundet war, wiedertraf.
Eislers Reisesonate bereichert das Repertoire von Violinmusik des 20. Jahrhunderts sehr. Sie ist als Studienmaterial für fortgeschrittene Schüler geeignet, da sie keine übermäßigen technischen Schwierigkeiten aufweist, einmal abgesehen vom Doppelgriffspiel in hoher Lage auf der E-Saite im 3. Satz.
Umso mehr fordert sie die musikalische Gestaltungskunst und ist deshalb eine hervorragende Einführung in die Violinmusik des 20. Jahrhunderts. Notwendig sind größte Expressivität und ein breites Spektrum an Ausdrucksmöglichkeiten, die von Klage und Entsetzen, von martialischen Marschrhythmen, welche die hässliche Grimasse des NS-Regimes symbolisieren, bis hin zu einem sehr verhaltenen, sensiblen, aus dem dreifachen Piano sich ins vierfache Forte steigernden Gesang im Intermezzo reichen. Der Schlusssatz ist voller Geist und Witz, voller stürmischer Bewegung und spiegelt Eislers Optimismus im Kampf gegen das NS-Regime und für eine gerechte und soziale Welt wider.
Der Klavierpart ist gleichgewichtig mit der Violine. Die Sonate ermöglicht echtes Duomusizieren. Sie ist hervorragend für den Konzertsaal geeignet und eine dankbare Aufgabe für Interpreten, denen die Musik des 20. Jahrhunderts ein Anliegen ist.
Peters bietet mit dieser Ausgabe einen gut lesbaren Notentext, der so eingerichtet ist, dass dem Pianisten das Umblättern erleichtert wird. Nach meiner Meinung ist das allerdings heute zu wenig. Wer diese Sonate spielt, möchte auch etwas über den Komponisten und seine Musik wissen. Doch nicht einmal das Entstehungsjahr der Sonate wird in dieser Ausgabe angegeben, geschweige denn, in welcher Lebenssituation sie entstanden ist. Es gibt keinen kritischen Bericht, der etwas über das Autograf und über die Einrichtung des Notentextes der Druckausgabe aussagt. Es gibt auch keine Hinweise auf die Kompositionstechnik und den Stil dieses Werks.
Die Erarbeitung von Interpretationen moderner Musik ist zeitaufwändig. Viele Informationen sind notwendig, um eine stimmige Gestaltung zustande zu bringen. Deshalb wäre es die Aufgabe von Ausgaben moderner Musik, die Arbeit zu erleichtern und wenigsten die Grundinformationen mitzuliefern. Geschieht das nicht, wie im Fall dieser Ausgabe, wird am falschen Fleck gespart und werden die Barrieren gegen moderne Musik nicht abgebaut, sondern vergrößert.
Franzpeter Messmer