Sonate Concertate a Sopran e Trombone

Werke von Dario Castello, Biagio Marini, Antonio Bertali und anderen

Rubrik: CDs
Verlag/Label: Perc.pro/Klassik-Center Kassel PP10182012
erschienen in: das Orchester 10/2013 , Seite 72

Immer wieder gelingt es Instrumentalisten, die sich spezialisiert haben auf alte Musik, uns näherzubringen, wie Musik vor dreihundert Jahren geklungen haben kann. Nachdem man die oft schwer zu entziffernden Notationen aus der Renaissancezeit zu lesen und auch die damals benutzten Instrumente nachzubauen gelernt hat, öffnet sich dem interessierten Musikfreund sowohl in Livekonzerten als auch auf Tonträgern eine weite Klanglandschaft eigener Art. Das Ensemble Affetti Cantabili mit Musikern aus Frankreich und der französischen Schweiz hat sich aus dem reichen Schatz der Musik des 17. Jahrhunderts Kompositionen ausgesucht, in denen die damals neue, weil technisch erweiterte und verbesserte Posaune eine besondere Bedeutung bekommen hat: Sie wird nicht mehr nur zur Bassverstärkung, sondern über dem üblichen Generalbass als eigene Diskant- und damit als Solostimme neben anderen eingesetzt.
Der Italiener Dario Castello (ca. 1600-ca. 1658) etwa hat damals in dieser neuen Weise mutig eine Posaune einer Geige oder zwei Violinen als gleichwertige Partnerin zugesellt. Eine von vielen solcher Sonaten eröffnet die CD: Siebeneinhalb Minuten lang profiliert sich die damals Sackbut, Sackbutt oder französisch Sacqueboute genannte Barockposaune in sich abwechselnden, unterschiedlichen Metren mit hübschen Melodieeinfällen. Das gilt auch für eine Sonate von Antonio Bertali (1605-1669) für Posaune, zwei Violinen, Gambe und Orgelcontinuo, für ähnliche Werke von Biagio Marini (ca. 1597-1665) oder für dreistimmige Sonaten der Deutschen Johann Heinrich Schmelzer und Heinrich Ignaz Franz Biber. Zwischen den Stücken mit Posaune sorgen Streichersonaten für zwei Violinen und Continuo für klangliche Abwechslung, zumal auch das Continuo in immer wieder anderer Besetzung mit Harfe, Cembalo oder Orgel alterniert. Fabrice Millischer, heute 28 Jahre alt, hat neben anderen Auszeichnungen 2007 den 1. Preis des ARD-Wettbewerbs gewonnen; derzeit Soloposaunist der Deutschen Radio Philharmonie Saarbrücken-Kaiserslautern, wird er im Oktober an der Musikhochschule Freiburg eine Posaunen-Professur antreten. Weil auch als Cellist ausgebildet, hat er sich bei renommierten französischen Lehrern weitergeschult. Als Posaunist beweist er mit seinem hochmusikalischen und virtuosen Einsatz in diesen Barockwerken eigener Art ebenso wie mit Konzertauftritten und CD-Produktionen immer wieder von Neuem, dass er mit diesem Instrument in allen Musikepochen und -formen zuhause ist. In dieser Neuproduktion findet sein Einfühlungsvermögen in die betörende Kunst des Sackbutt-Blasens in ausgewählten Werken der Renaissance seine ideale Ergänzung im Spiel des sich mit feinem Gespür ihm angleichenden Schweizer Alte-Musik-Ensemb – les, das schon im Namen sein Anliegen dokumentiert, die für jene Zeit wichtige Affektenlehre in seinem Musizieren erkennbar zu machen, was in den elf Sonaten dieser Produktion zu großem Hörgenuss führt.
Diether Steppuhn