Albinoni, Tomaso

Sonate a tre

für zwei Violinen, Violoncello und Basso continuo op. 1, hg. von Martin Lutz

Rubrik: Noten
Verlag/Label: Breitkopf & Härtel, Wiesbaden 2012
erschienen in: das Orchester 11/2013 , Seite 72

Woran mag es liegen, dass Tomaso Albinoni im Vergleich zu seinen zeitgenössischen Landsleuten wie Arcangelo Corelli oder Antonio Vivaldi immer noch ein großer Unbekannter ist? Vielleicht ist es im Vergleich zum „Prete rosso“ der nicht unmittelbar auszumachende Personalstil, der heute einer größeren Verbreitung entgegensteht; vielleicht sind es die wenig spektakulären Lebensumstände in einer von vornherein materiell gesicherten Umgebung. An der Musik als solcher kann es nicht liegen – die muss in puncto Farbigkeit, Struktur und Vielschichtigkeit den Vergleich mit den barocken Superstars eigentlich nicht scheuen. Und im Rückblick scheint Albinoni zu Lebzeiten durchaus ein gewisses Maß an Berühmtheit gehabt zu haben. Sein Opus 1 zumindest fand in Europa eine recht große Verbreitung.
Die zwölf Kirchensonaten dieser Sammlung werden als direkte Reaktion auf Arcangelo Corellis die Gattung Kirchensonate mit zwei Violinen und Generalbass wenn nicht begründende, so doch quasi definierende Sammlung mit derselben Opuszahl angesehen. Im Vergleich zu Corelli wählt Albinoni in den Diskantstimmen einen vielleicht etwas weniger geigenspezifischen und virtuosen Stil, sondern einen gleichsam offeneren
Ansatz in Bezug auf das Instrumentarium, wenngleich natürlich die Besetzung mit zwei Violinen und Basso continuo (inklusive eines Violoncellos) als vorausgesetzter Standard gelten darf. Aber gewiss hätte der Komponist nichts gegen die Ausführung einer oder beider Oberstimmen mit Oboe oder Flöte einzuwenden gehabt.
Der im Verlag Breitkopf & Härtel erschienene und hier vorliegende Band 4 der ersten Gesamtedition seit dem Erstdruck aus dem Jahr 1694 vereint die letzten drei Triosonaten des Opus 1. Die allesamt viersätzigen Werke leben nicht nur von den kompakten, mit einem beweglichen Generalbass versehenen und die Virtuosität nicht in den Vordergrund spielenden schnellen Sätzen, sondern insbesondere von den klar konturierten Grave-Abschnitten, die die gesanglichen Qualitäten von Albinonis Musik aufs Beste illustrieren. Diese langsamen Sätze zeigen überdies eine reiche Harmonik mit zielgerichtet eingesetzter chromatischer „Würze“. Hier werden sich die Interpreten vor allem durch die konturierte Ausgestaltung der gleichberechtigten Stimmen profilieren können, die zu einem sehr gesanglichen Ganzen zusammenfinden.
Tomaso Albinonis Kirchen- oder Triosonaten aus Opus 1 fordern keine Virtuosen an den Instrumenten; sie fordern aber schon die engagierten Gestalter, die mit Bedacht klangliche Kontraste auf engem Raum zu entwerfen wissen, die Beweglichkeit vor allem von der filigranen Seite her verstehen und die einer rein instrumentalen Musik gerade in den langsamen Sätzen vokale Qualitäten mitzugeben verstehen.
Daniel Knödler