Bach, Carl Philipp Emanuel

Sonate a-Moll Wq 132 für Flöte solo

Urtext, hg. von Marion Beyer

Rubrik: Noten
Verlag/Label: Henle, München 2013
erschienen in: das Orchester 07-08/2014 , Seite 74

Im 18. Jahrhundert sind Kompositionen für Querflöte allein eine Seltenheit, aber das, was es gibt, stammt von bedeutenden Komponisten. Mit Bachs Partita (um 1720) kann man sich wohl, besonders was den wenig flötengerechten ersten Satz betrifft, sein Leben lang auseinanderset-
zen, Telemanns Fantasien (1732) lassen, ihrem Namen entsprechend, viel
interpretatorischen Freiraum, während sich die Sonate Carl Philipp Emanuel Bachs im langsamen ersten Satz durch wechselnde Affekte und in den beiden schnellen Sätzen durch seriöse Virtuosität auszeichnet. Laut Nachlass-Verzeichnis von 1790 ist sie 1747 in Berlin entstanden, also im gleichen Jahr wie das Musikalische Opfer, das Johann Sebastian nach seinem nicht gerade ein Erfolgserlebnis zu nennenden Berlin-Besuch komponiert und dem König gewidmet hatte.
Warum hatte sich Friedrich II. für Carl Philipp Emanuel Bach, diesen eigenwilligen und selbstbewussten Musiker, entschieden, dem die notwendige Zurückhaltung (nicht nur) in musikalischen Fragen vergleichsweise schwerfiel? Sehr wahrscheinlich war es vor allem dessen Fähigkeit, Stücke jeder Art, auch völlig unvorbereitet, zu begleiten, war der König doch darauf aus, immer neue, frische Sonaten bzw. Konzerte in seinen kammermusikalischen Veranstaltungen zu spielen. Bach seinerseits profitierte von dieser Praxis für die Ausarbeitung des 1762 erschienenen zweiten Teils seines Versuchs über die wahre Art das Clavier zu spielen, indem er das „feine Accompagnement“, wie er es nannte, in ungemein differenzierter Art und Weise ausgearbeitet hat.
Ob es nun wirklich ein Solo für den König war – wie die Bemerkung Bachs nahelegt, die der blinde Flötist Dülon, der ihm das Stück in Hamburg vorspielte, in seiner Lebensbeschreibung festgehalten hat, „der, für den ich es machte, konnt’ es nicht spielen; der, für den ich es nicht machte, kann es“ –, diese Frage wird im Nachhinein wohl nicht mehr zu klären sein. Die Überlegung ist aber nicht ganz von der Hand zu weisen, unterstellt sie doch eine Art geschmacksbildenden Erziehungsversuch, den man dem Komponisten durchaus zutrauen möchte. Wobei anzunehmen ist, dass Friedrich II. das Solo schon hätte spielen können.
Gedruckt wurde die Sonate im Musikalischen Mancherley, 1762/63 bei Winter in Berlin erschienen, es gibt zudem noch einen auf dieser Ausgabe basierenden Einzeldruck; das Autograf ist nicht mehr vorhanden. Mit den übrigen Flötensachen verhält es sich genau umgekehrt, sie sind zu Lebzeiten des Komponisten nicht gedruckt worden, die Autografe liegen in Berlin und Brüssel. Moderne Ausgaben gibt es eine ganze Anzahl, und mit der in der neuen MGG als Referenz genannten bei Amadeus (1978), die das Faksimile aus dem Musikalischen Mancherley enthält, war man bisher schon recht gut bedient. Die Neuausgabe von Marion Beyer bei Henle macht ihr aber jetzt ernsthaft Konkurrenz mit knappen, doch informativen Textbeiträgen, bestehend aus einem Vorwort der Herausgeberin und, dies erfreulicherweise erst nach dem Notentext, willkommenen Anmerkungen zur Aufführungspraxis von Karl Kaiser. Der Neuausgabe als Faksimile beigegeben ist der (im Notentext identische) Einzeldruck nach dem Erstdruck.
Ursula Pešek