Husmann, Mathias

Sonate (1979)

für A-Klarinette und Klavier

Rubrik: Noten
Verlag/Label: edition gamma, Bad Schwalbach 2009
erschienen in: das Orchester 09/2010 , Seite 64

Dem Hamburger Komponisten und Dirigenten Mathias Husmann (* 1948) wird nach Ekkehard Ochs aus den prägenden Begegnungen mit den Kompositionsprofessoren Christoph Hohlfeld, Ernst-Gernot Klussmann und Hans Poser eine enge stilistische Vertrautheit mit Persönlichkeiten wie Schönberg, Strauss und Hindemith zugeschrieben. Die Klarinettensonate erhält eine Charakterisierung als „anspruchsvoll konzertante Spielfreude bedienend“. Für dieses etwa 20-minütige Werk für A-Klarinette und Klavier dürfte von den Dreien der Dodekafonist Schönberg Ausrichtung gewesen sein, aus mannigfach terzparallelen Sonatenpassagen im engeren Sinne auch Anton Webern. Aus unterschiedlichen Längen sich variantenreich überlappende Phrasen lassen minimalmusic-artige Klang- und Betonungsmuster sprühen. Motivwiederholungen in der Oktave oder in anderen Abständen, mitunter augmentiert, und Melodieliebe zum Tritonus fallen auf.
Um jeglichen Gedanken an eine Theoriebefrachtung dieser Sonate auf das Hörerohr vorab den Nährboden zu entziehen: Husmann lässt serielle Gesetzmäßigkeiten nie über die Emotion regieren, er benutzt diese Technik, um Gefühle samt der damit einhergehenden „Spielfreude“ auszuschleudern. Tonalitätsaufscheinen einbezüglich Satzschlüsse in Dur oder Moll gehören dazu (siehe Webern). Und dies alles macht die Ästhetik dieses Werks und seinen Wert aus. Die größere Form hingegen unterliegt durchaus traditioneller Strenge, nicht nur im Sonatenhauptsatz. Rhythmisch fallen lange Cantilenen auf, die oft durch synkopische Einsprengsel ihre Betonungen verlagern oder bei schnelleren Abläufen abrupt in lange Werte münden. Der Rhythmus geriert sich nicht effektvoll vordergründig, bleibt – bis auf den vierten Satz – eher dem Klanglichen und Melodischen dienend. Die Klarinette schlüpft in kontrastierende Rollen, von der eigenständigen Horizontlinie über rhythmische Kongruenz mit dem Klavier bis zur Übernahme von Mittel- bzw. Unterstimme. Zeitgenössische Ausdruckstechniken der Klarinette wie Flatterzunge oder Glissando werden nicht verwendet.
Der letzte der vier Sätze beherbergt überraschende Temperamentwandlungen. So können Ersterbendes und Gnomenhaftes ihr Wechselspiel treiben; er ist geprägt von Tempo-/Rhythmusvarianten und geht motivisch insbesondere auf die ersten beiden Sätze ein. Bei dem anspruchsvollen Werk liegt der Klarinettenpart im arteigenen Schwierigkeitsgrad unter dem des Klaviers. Die Sonate hätte einer Einführung bezüglich Komponisten und Komposition bedurft. Diese Anforderung muss einem Verlag zu Gunsten jener gemacht werden, denen ein solches Stück zur Auswahl vorliegt bzw. die es einstudieren.
Musikgenuss bedingt Beschränkung der Mittel, wie etwa beim Instrumentarium, im Stil oder in der Kompositionstechnik. Ob Begrenzung des Tonvorrats vor der Zeit der gleichschwebenden Temperatur oder die gerade auf dieser beruhenden Gesetze serieller Musik: Wenn das musikalische Ohr innerhalb dieses Uferlosigkeit verhindernden Rahmens gestaltungsmächtig zu wirken versteht, bleibt Musik (menschliche) Kunst. Solche ist diese Sonate.
Maximilian Schnurrer