Bach, Johann Sebastian / Barry Guy
Sonata in A-Minor (BWV 1003)/Partita in D-Minor (BWV 1004) / Aglais
Barry Guy ist ein Kontrabassist, der klassische Musik, Jazz, Komposition und Improvisation miteinander verbindet. Seit 1988 tritt er mit seiner Frau, der Barockgeigerin Maya Homburger, auch mit Barockmusik auf. Auf der neuen CD spielt Maya Homburger die Solosonate für Violine in a-Moll und die Solopartita in d-Moll von Johann Sebastian Bach. Dazwischen erklingt eine Komposition von Barry Guy: Aglais für Violine solo.
Crossover ist seit den 1990er Jahren der mehr oder weniger erfolgreiche Versuch, das in Nischen auseinandertriftende Publikum wieder zusammenzubringen, insbesondere auch Alte Musik vom Odium des Musealen zu befreien und zu zeigen, wie modern man auf alten Instrumenten spielen kann. Im Beiheft zu dieser CD wird das Crossover noch weitergetrieben. Dort wird ein Bild von Albrecht Dürer, Das große Rasenstück, zum Mittelpunkt: Die Schriftstellerin Elisabeth Binder verfasste darüber ein kluges Essay.
Diese CD bietet dem Käufer gedankliche Anregungen in mannigfacher Hinsicht: Literatur, Kunst, alte und moderne Musik sind hier vereint. Das weckt zunächst das Interesse, und das ist schon viel: Ein Jazzmusiker komponiert ein Stück, das zusammen mit Bach erklingt, dazu wird ein Bild gezeigt und ein Text verfasst. Doch nach dem Hören, Lesen und Schauen steht fest: Alles für sich genommen ist interessant und anregend, allerdings auch nicht so umwerfend, dass es einen mitreißen würde. Doch der Sinn, der Zusammenhang zwischen Bach, Guy, Dürer und Binder erschließt sich nicht. Wie hängt Dürers Rasenstück mit Bach zusammen? Binder geht darauf nicht ein. Was hat Guys Musik mit der Bachs zu tun? Das Maß von Kontrolle, Balance und Perspektive in Hinsicht auf Bachs Meisterwerke, wie Guy schreibt, erschließt sich dem Hörer nicht.
Gefährlich ist es, gegenüber der Qualität Bachs und Dürers zu bestehen. Weder Barry Guy noch Elisabeth Binder gelingt das. Guys Komposition bleibt in den modernen Spieltechniken der Violine gefangen, ohne ihnen einen besonderen Charakter zu verleihen. Binders Text ist zwar lesenswert, aber kein literarisches Meisterwerk.
So bleibt das Spiel der Barockgeigerin Maya Homburger. Im Stück von Barry Guy macht sie eine große Palette von Klangfarben hörbar. Bachs Solowerke für Violine interpretiert sie mit großer Detailliebe. Jeder Ton, jede Artikulation, jeder Rhythmus findet in ihrem Spiel Beachtung und wird dem Hörer bewusst. Dabei verliert sie sich keineswegs im filigranen Spiel, arbeitet vielmehr ebenso die großen Bögen heraus und meistert mit rhythmischem Schwung selbst die schwierigsten Passagen. Ihr gelingt tatsächlich, was sie an Dürers Rasenstück fasziniert: das kleinste Detail in einer völlig naturalistischen Weise herauszuarbeiten, in der Hoffnung, es in das größere Bild transzendieren zu können.
Franzpeter Messmer