Galli, Domenico

Sonata I-XII

Violoncello solo

Rubrik: Noten
Verlag/Label: Varner, München 2003
erschienen in: das Orchester 12/2004 , Seite 87

Nicht „trockene“ Noten allein bietet der junge Münchner Verlag Varner (mcv), sondern einen zeit- und vor allem internetgemäßen Rundum-Service: Saiten und Notenständer sind online bestellbar, eine umfangreiche Datenbank quer durch die Musikverlage inklusive Versandangebot steht zur Verfügung, die Mitspiel-Reihe „Duo per Uno“ (eine Variante von Dowani bzw. Music minus One) liegt in Noten- und CD-Form vor, Aufnahmen der crossover-musizierenden Verlagsgründer Johanna Varner (Violoncello) und Christofer Varner (Posaune, Komposition, Träger des Münchner Kulturpreises) lassen sich ebenfalls flugs in den Warenkorb befördern.
Entsprechend patchworkartig nimmt sich das noch schmale Noten-Angebot aus: Jazz, Kammermusik, neue Songs für Kinder von Franz David Baumann und mittendrin einige bemerkenswerte Ausgaben Alter Musik, darunter die zwei vorliegenden Cello-Bände. Insbesondere die von der Münchner Cellistin Sabina Lehrmann nach dem Originaldruck edierte Erstausgabe der Sonaten von Domenico Galli verdient Beachtung. Neben den 1687 bzw. 1689 erschienenen Zyklen von Giovanni Battista degli Antoni und Domenico Gabrielli gilt Gallis 1691 mit einer Widmung an den Herzog von Modena publizierte Sammlung Trattenimento musicale sopra il Violoncello à Solo als eines der frühesten Beispiele solistischer Cellomusik. Zwar sind Einflüsse Gabriellis nicht zu übersehen, doch manch frappierende Chromatik und harmonische Härte in Gallis Sonaten sprechen eine eigene Sprache.
Ursprünglich waren die Werke für ein um einen Ganzton nach unten „verstimmtes“ Cello geschrieben. In der Neuausgabe wurden daher einige Töne oktavversetzt, um Spielbarkeit für heutige Cellisten herzustellen. Lehrmann irrt im Übrigen, wenn sie im Vorwort anmerkt, die tiefe B-F-c-g-Stimmung habe noch im späten 17. Jahrhundert italienischer Norm entsprochen. Vielmehr wird dieses Stimmsystem von Marin Mersenne in der Harmonie universelle von 1637 als eine Möglichkeit angegeben, um die Jahrhundertmitte aber hatte sich in Italien bereits weitgehend die noch heute gebräuchliche Stimmung C-G-d-a durchgesetzt.
Gemeinsam zeichnen Sabina Lehrmann und Johanna Varner verantwortlich für die Veröffentlichung der 3 Solostücke von Colombi, Abel und eines Anonymus, einer Zusammenstellung, der keine stringent editorische Idee zu entnehmen ist. Colombis Chiacona (sic!) a basso solo wurde für ein fünfsaitiges, nicht eindeutig als Cello oder Gambe zu benennendes Instrument in der Stimmung B-F-c-g-d’ geschrieben, für die moderne Ausgabe hat man sie um einen Ganzton nach oben transponiert. Kein gerader Weg verläuft von diesem Werk zur schematischen Virtuosität des Prélude von Karl Friedrich Abel, einer für sechssaitige Gambe komponierten Arpeggio-Etüde, die offenbar unter einigen Mühen (des Töneweglassens!) ins viersaitige Cello-Korsett bugsiert wurde. Eingeschoben zwischen Colombi und Abel finden wir eine anonyme Version des englischen Volkslieds Woodycock, entnommen dem 9. Band der Musica Britannica. Kein Kommentar zu den sonstigen „Whereabouts“… So what?
Seite drei des Bands zeigt einen schönen alten Stich: schmucke Dreimaster, unter gleicher Flagge segelnd, auf großer Fahrt. Zu gern wüsste man ihr Ziel… will sagen: Nichts gegen Bilder, Abwechslung, Patchwork – ein profunder Musikverlag sollte aber nicht allein auf solcherlei Reize setzen.
Gerhard Anders

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