Brzezinski, Franciszek / Józef, Szulc

Sonata for violin and piano D major op.6 / Sonata in A minor op. 6

Rubrik: CDs
Verlag/Label: Acte Préable AP 0271
erschienen in: das Orchester 09/2013 , Seite 82

Es sind erstaunliche Entdeckungen, Begegnungen der besonderen Art, die wir hier erleben: das Cover, ein Dorf-Idyll der Malerin Malgorzata Jarnicka, das auf die Klangwelten einstimmt; zwei Komponisten, von denen man bislang so gut wie nichts wusste; und hochkarätige, international bewährte Interpretinnen, die die Weltersteinspielung dieser Violinsonaten initiiert haben.
Deren Komponisten beschritten Seitenwege fernab jener Hauptsraße der polnischen Musik, auf der sich Noskowski, Karlowicz und Szyma­nows­ki zu Beginn des 20. Jahrhunderts der europäischen Moderne näherten. Sie blieben bei traditionellen Formen und waren maßvoll in ihren harmonischen Ansprüchen, sie griffen auf Lied und Tanz der Folklore zurück und mixten „leichte“ Musik bei. Was solchermaßen eklektisch erscheinen mag, erhält freilich durch kompositorische Einfalls- und Gestaltungskraft faszinierende Vitalität – altbacken wirkt da nichts!
Franciszek Brzezinski wurde am 8. September 1867 in Warschau geboren und starb hier am 6. August 1944; er studierte bei Jan Kleczynski Klavier und in Leipzig bei Max Reger Tonsatz und war als Jurist, Komponist und Musikpublizist tätig. 1933 veröffentlichte er eine Smetana-Bio-
grafie; als Rezensent stand er den neuen Entwicklungen der polnischen Musik objektiv gegenüber, ohne ihnen zu folgen. Neben Klavierstücken und einem Klavierkonzert hat er sich mit der originellen dreisätzigen Violinsonate D-Dur einen Namen gemacht; sie wurde 1910 bei Peters (Leipzig) gedruckt.
Józef Szulc, am 4. April 1875 in Warschau geboren und am 10. April 1956 in Paris verstorben, studierte bei Maurycy Moszkowski und Ignazy Jan Paderewski Klavier und bei Zygmunt Noskowski und bei Jules Massenet in Paris Komposition. Er war in Polen, Deutschland und Belgien als Dirigent tätig und dürfte mit seinen 19 Operetten, mit Ballett- und Filmmusiken recht populär gewesen sein, ist aber heute vergessen. Wann die viersätzige Violinsonate a-Moll entstanden und veröffentlicht worden ist, ist nicht bekannt.
Dass sich in die Musik beider Komponisten auch das Vorbild ihrer Lehrer eingeschrieben hat, wird schnell deutlich: Brzezinski versieht schlichte Themen mit reichem harmonischen Reiz, erzielt mittels Chromatik das Kolorit und die Spannung seiner Durchführungen und baut in den unendlichen Geigengesang des Largo ein kunstvolles Fugato ein. Szulc betört vom ersten Ton an mit schwärmerischer Melodik und färbt das stimmungsvolle Andante mit Chopins Nocturne-Zauber und französischem Arien-Schmelz. Beide legen die Sonatenform der Kopfsätze frei an, variieren lyrische Themen facettenreich und vermeiden konfliktreiche Entwicklungen; ihre Scherzi mit Mazurka und Oberek sind energiestrotzende Tanzbilder – rustikal, anmutig, stolz, und im Stretta-Wirbel der Brzezin­ski-Sonate kehrt abrundend das 1. Thema des Hauptsatzes wieder.
Diese geschickt gereihten „Ohrwürmer“ erleben nun im sensiblen, hingebungsvollen und bravourösen Spiel von Irena Kalinowska-Grohs und Barbara Pakura ein beeindruckendes Comeback.
Eberhard Kneipel