Terzakis, Dimitri
Solo für Tanja
für Viola solo (2003)
2003 wurde Dimitri Terzakis nach fast zehn Jahren als Professor für Komposition an der Musikhochschule Leipzig emeritiert. Das Solo für Tanja entstand im gleichen Jahr als Hommage an Tatjana Masurenko, Terzakis Kollegin im Fach Viola, die es im Oktober 2004 anlässlich des Deutschen Bratschistentags im Konzertsaal der Musikhochschule auch uraufführte. Bereits 1997 hatte Terzakis mit dem Solo für Sabine (für Klarinette) einer anderen Virtuosin eine ähnliche Referenz erwiesen.
Das Solo für Tanja ist ein kurzes, unprätentiöses und spielfreudiges Stück, souverän und mit leichter Hand hingeworfen von einem, der seinen Weg seit langem gefunden hat und sich seiner Mittel sicher ist. Terzakis hat sich seit dem Ende der sechziger Jahre intensiv mit der Tradition der byzantinischen Musik auseinander gesetzt und daraus ein eigenes Kompositionssystem entwickelt, das sich grob als Wanderung eines Mikromelos durch wechselnde Klangräume beschreiben lässt. Man merkt es dem quasi improvisatorischen Duktus des Solos an, dass Terzakis diese Technik inzwischen zu einer musikalischen Muttersprache sublimiert hat, die es ihm erlaubt, auf formale Hilfskonstruktionen weitgehend zu verzichten und seiner Imagination (man möchte fast sagen: lustvoll) freien Lauf zu lassen.
In drei knappen Sätzen (zusammen nicht länger als sieben Minuten lang) werden einige scharf umrissene melodische Gestalten (meist zusätzlich definiert durch ein Tempo und ein Metrum) abschnittsweise variiert, entwickelt und zueinander in Beziehung gesetzt, wobei einzelne Elemente ausgetauscht werden, eine unerwartete Eigendynamik gewinnen oder in gänzlich neuem Kontext wieder erscheinen können. Innere Logik und äußere Vielfalt halten sich dabei wie selbstverständlich die Waage.
Der besondere klangliche Reiz von Terzakis Stücken beruht nicht zuletzt auf der Verwendung altgriechischer Skalen, bei denen bestimmte Töne eine Art Anziehungskraft auf ihre Nachbartöne ausüben. Bezüglich der Notation dieser Mikrointervalle herrscht in der vorliegenden Ausgabe leider eine gewisse Uneinigkeit. In der Legende finden sich zwar offenbar eigens dafür entwickelte Zeichen und die Spielanweisung: Diese minimalen Tonhöhenveränderungen sind als gleitende Tonhöhen wie in der orientalischen Musik zu gestalten. Im gedruckten Notentext werden dann aber ausschließlich die üblichen Vorzeichen für Viertel- bzw. Dreiviertelton-Erhöhungen und -Erniedrigungen verwendet. Die ebenfalls in der Legende angegebenen Zeichen für breites Vibrato und Glissando kommen schließlich überhaupt nicht vor, sodass man sich über diesen (zentralen) Aufführungsaspekt wohl letztendlich seinen eigenen Reim machen muss.
Der Originalität und Frische des Werks tut dies freilich keinen Abbruch. Da es in technischer Hinsicht nichts Unmögliches fordert und in seiner urtümlichen Unmittelbarkeit sicherlich auch ein breiteres Publikum zu erreichen vermag, stellt es für die zeitgenössische Solo-Literatur für Viola eine willkommene Bereicherung dar.
Joachim Schwarz