Friedrich Kiel

Solo für Klarinette und Horn mit Orchester-Begleitung (Introduktion und Polacca C-Dur)

Studienpartitur/Klavierauszug

Rubrik: Noten
Verlag/Label: Edition Ebenos, Aachen 2013
erschienen in: das Orchester 02/2014 , Seite 68

Gibt es Schlimmeres, als dass der von der schreibenden Zunft gefürchtete Druckfehlerteufel gleich im Titelkopf höhnisch zuschlägt? Eine wahrlich nervige „Intruduktion“, Verzeihung Introduktion – und das ausgerechnet in einem Erstdruck. Herausgeber Philipp Zehm und der Aachener Verleger Ebenos haben sich sicherlich schon geärgert. Die Musik selbst trägt glücklicherweise wohl keinen Schaden davon.
Die Rede ist von einem nur etwa siebenminütigen Stück, welches die seltene, wenngleich interessante und romantisch geprägte Duo-Besetzung von Solo-Klarinette und Solo-Horn aufweist, die von einem kleinen Orchester mit vorwiegend einfach besetzten Bläsern und Streichern begleitet werden. Es stammt von dem heute relativ unbekannten Komponisten Friedrich Kiel, der es vermutlich als etwa 20-Jähriger bereits vor 1842 geschrieben hat, als er Konzertmeister an der Hofkapelle am Berleburger Hof war. Und selbst dieser kleine Hofstaat im heutigen nordrhein-westfälischen Kreis Wittgenstein mit seinem barocken Schloss gehört nicht gerade zu den berühmtesten, wenngleich von dort eine Bibelübersetzung stammt. Der 1821 geborene und frühreife Friedrich Kiel verdankte dem dort ansässigen Fürsten Albrecht I. von Sayn-Wittgenstein seine Ausbildung, bevor er endgültig nach Berlin zog und dort u.a. als Klavierlehrer und Komponist tätig war.
Seine Komposition, die selbstverständlich mit der in c-Moll stehenden und kantilenenfreundlichen Introduktion im „Adagio ma non troppo“ beginnt, nimmt von der Taktzahl her bereits beinahe genau ein Viertel des ganzen Stücks ein. Die Polacca in C-Dur selbst ist formal dreiteilig und weicht etwa in der Mitte in die Mediante A-Dur aus. Für die besetzte Klarinette in B, die zeitweise technisch ziemlich gefordert wird, kein Zuckerschlecken, da sie – wenn auch nur relativ kurz – in sechzehntelverschränktem H-Dur spielen müsste. Freundlicherweise ist hier alternativ im Stimmenmaterial die Möglichkeit vorgesehen, die A-Klarinette zu verwenden, die zumindest drei Kreuze ausmerzt und im bequemen C-Dur die virtuos anmutende Passage spielen kann, wenn auch einen Halbton höher notiert. Kiel hatte vermutlich einen hervorragenden Klarinettisten bei der Hand, dem er die Stimme wohl auf den Leib geschrieben hat.
Auch das Horn darf ab diesem Tonartenwechsel kurz vom C-Horn zum transponierfreundlicheren D-Horn greifen. Des ungeachtet kann der Solo-Hornist auch gleich ein F-Horn nehmen, da er als gewiefter Solist im Transponieren von vorneherein bestens geübt ist.
Der Druck ist sehr übersichtlich gestaltet, die Noten großzügig und groß gedruckt. Sowohl Partitur als auch der Klavierauszug sind mit einem zweisprachigen informativen Vorwort bedacht, Korrekturen sind hier „gegenüber dem Manuskript nicht gesondert angegeben“. Bereits vor 30 Jahren entstand die erste Rundfunkproduktion des Stücks beim NDR Hannover, für die sich der Klarinettist Jost Michaels stark gemacht hatte. Nun kann das Stück endlich die Orchestersäle erobern.
Werner Bodendorff