Duddell, Joe

Snowblind

für Solo Percussion and Strings, Klavierauszug mit Solostimmen

Rubrik: Noten
Verlag/Label: Schott, London 2008
erschienen in: das Orchester 03/2009 , Seite 61

Meistens stellen Schlagzeugkonzerte die besonderen rhythmischen und klangfarblichen Qualitäten des Instrumentariums in den Vordergrund und bieten dabei den Solisten die Möglichkeit zur Darstellung ihrer hochvirtuosen Spieltechnik. Melodik und Harmonik übernehmen in diesen Fällen die begleitenden Orchesterinstrumente. Bei Snowblind ist die Rollenverteilung eine andere. Die Solostimme ist sehr diskret angelegt, sie singt eher zusammen mit dem kleinen Streicherensemble (4.3.2.2.1), als dass sie den Tuttiklang virtuos überstrahlt. Keine solistischen Trommelpartien im Kontrast zum Orchester, keine krachenden Holzklänge und keine glitzernden Metallschichtungen, stattdessen zurückgenommene, sich nur mit Marimba- und Vibrafon, einigen Crotales-Tönen und Tempelblöcken fein entwickelnde harmonische Verläufe in einem intimen musikalischen Umfeld. Die solistische Schlagzeugstimme ist geprägt durch lange Ketten von schnellen Sechzehntelnoten, minimalistisch-repetitive Passagen wechseln dabei mit sich langsam entwickelnden melodischen Modellen ab.
Die drei Sätze des Werks erinnern mit ihren Ritornellen an barocke Konzerte, wobei die erste Geige, Viola und Violoncello geschickt als Verbindungsinstrumente zum Orchester eingesetzt sind. Orchester und Solist gehen allerdings weniger streitend-konzertant als freundlich-moderat miteinander um, ein spielerischer Grundzug prägt die gesamte Komposition. Und hier liegt das Problem von Snowblind. So interessant die Anlage des Schlagzeugkonzerts auch ist, das freundlich Plätschernde der Musik trägt nicht über die Dauer von 18 Minuten.
Dem englischen Komponist Joe Duddell (*1972), der zurzeit als einer der Shooting-Stars der Neuen Musik seines Heimatlandes gilt, gelingt es nicht, seine unterschiedlichen Kompositionsansätze zu einem schlüssigen Werk zu bündeln. Unentschiedener Minimalismus, Einflüsse von Sibelius, Strawinsky und Tippett, aber auch Rückbezüge auf Kultbands wie The Smiths oder Sigur Rós haben durchaus interessante musikalische Spuren hinterlassen, die mit der jeweiligen Stilistik verbundenen Hör- und Erwartungshaltungen funktionieren hier aber nicht. Schlicht ausgedrückt: für Minimal-Music passiert zu viel, für Klassik entwickelt sich zu wenig, für Rock fehlt es an Aura und Sound…
In anderen Werken, wie den Kompositionen für Chor (the Realside ending, Ode to English) oder Streichquartett (4mere bagatelles), gelingt Duddell, der nach Studien bei Steve Martland seit einem Jahr Professor an der renommierten Salford-University in Manchester ist, sein Spagat zwischen den Stilen auf beeindruckende Weise. In diesen Werken ist seine Musik äußerst transparent und klar strukturiert, hier stimmen auch die Zeitverhältnisse. Mit Snowblind ist Duddell wohl kein Werk gelungen, das zum festen Bestandteil des Repertoires werden wird, aber vielleicht macht der Komponist ja einst eine verkürzte Version? Die wäre ideal für alle Streichorchester der Welt, die auch mal mit einem Schlagzeuger zusammenspielen wollen!
Stephan Froleyks