Sir Colin Davis
Werke von Elgar, Mendelssohn Bartholdy, Sibelius, Schubert, Brahms und Berlioz, 6 CDs
Wenige Wochen nach dem Tod des britischen Dirigenten Sir Colin Davis, der am 14. April (an Händels Todestag) 2013 im Alter von 85 Jahren starb, hat das Label Profil/Günter Hänssler in seiner verdienstvollen Edition Staatskapelle Dresden ein Gebinde mit sechs CDs vorgelegt, das Aufnahmen des Maestro am Pult der Sächsischen Staatskapelle Dresden bringt, deren Ehrendirigent er seit 1991 war. Mit Ausnahme der 1988 und 2003 entstandenen Sibelius-Aufnahmen wurden alle Stücke in den 1990er Jahren aufgezeichnet.
Mit Ausnahme von Mozart, der in Colin Davis Wirken ja eine zentrale Rolle einnimmt und von dessen Musik in der Gestalt der beiden großen Serenaden KV 250 und KV 320 schon lange Dresdner Aufnahmen vorliegen, bringt diese nun erschienene Sammlung Werke der für den Dirigenten besonders wichtigen Komponisten. Vor allem Berlioz, für dessen Renaissance Colin Davis mit seinem Zyklus Anfang der 1970er Jahre Entscheidendes geleistet hat, ist gewichtig mit dem Requiem und zwei Ouvertüren vertreten. Hinzu kommt mit Edward Elgars erster Sinfonie ein Werk der englischen Heimat sowie mit der zweiten Sinfonie und den Tondichtungen En Saga und Luonnotar von Jean Sibelius ein in England mehr als auf dem Kontinent gepflegtes Repertoire, das Colin Davis schon früh als Sibelius zumindest hierzulande eher sporadisch aufgeführt wurde in den Focus seiner Arbeit am Pult gestellt hat. Romantische Sinfonik von Schubert, Mendelssohn Bartholdy und Brahms ergänzt das hier vorgestellte Programm.
Die Wiedergaben sind durchweg von hoher Qualität und beweisen sowohl den Ausnahmerang des Orchesters, das unter Colin Davis seinen sprichwörtlichen Klangzauber voll entfaltet, als auch die große Gestaltungskunst des Dirigenten, der gewiss zu den großen Pultmeistern im 20. und frühen 21. Jahrhundert gehörte. Äußerlich spektakulär, extravagant oder effekthascherisch waren seine Wiedergaben nie. Davis war ein nobler Gentleman am Pult, der uneitel, dafür mit viel Überlegung und Akkuratesse zu Werke ging. Das zeigen auch diese Dresdner Aufnahmen. Sie sind in der äußeren Anlage schlüssig und klar und sie lassen das Orchester in seiner ganzen warmen Fülle aufspielen. Bei genauem Hinhören aber stecken sie voller ausdrucksvoller Details und sinnfälliger Nuancen, die beweisen, wie genau und ernsthaft der Dirigent den Notentext zu klingendem Leben erweckt. Bei Berlioz bringt Davis die unzähligen Überraschungen in der Musik des kühnen Franzosen mit Charme und Eleganz zur Wirkung, macht sie deutlich als Moment gesteigerten musikalischen Ausdrucks, der hier ganz im Vordergrund steht. Auch bei der englischen, finnischen und deutschen Sinfonik gehen Formsinn und Übersicht eine ideale Harmonie mit Feinheit im Detail und Sprachkraft ein.
Eine lohnende Sammlung als würdige Ehrung eines bedeutenden Musikers.
Karl Georg Berg