Janácek, Leos
Sinfonietta / Taras Bulba / Suite aus “Das schlaue Füchslein”
Bescheidenheit ist eine Tugend, doch übertreiben sollte man sie nicht. Bei der vorliegenden CD jedenfalls stellen die Bamberger Symphoniker ihr Licht auf eine Weise unter den Scheffel, die doch verwundert. Sechzig Jahre alt ist das Orchester 2006 geworden, die Zukunft scheint ungeachtet früherer Schwierigkeiten sicher und da veröffentlichen die Bamberger eine bemerkenswerte Janácek-Aufnahme, deren Booklet auch nicht ein Wort über Orchester und Dirigent verliert.
Dabei hat die Werkauswahl gewiss etwas mit der Geschichte des Ensembles zu tun, das nach dem Zweiten Weltkrieg von Prager Musikern mitgegründet wurde und heute ganz offenbar in blendender Verfassung ist. Jonathan Nott übernahm das Orchester im Jahr 2000, seither hat er dessen modernes wie auch das traditionelle Profil geschärft. Schubert-Sinfonien stellte er unlängst im Konzert zeitgenössischen Schubert-Bearbeitungen gegenüber und meldete sich mit drei Superaudio-Aufnahmen zu Wort, die allerdings kein kompositorisches Neuland erschließen: Bruckners dritte, Mahlers fünfte sowie Schuberts erste, dritte und siebente Sinfonie.
Auch die aktuelle CD bietet mit der Sinfonietta (1926) und der Rhapsodie Taras Bulba (1915/18) Klassiker der Moderne, dazu ist eine Suite aus der Oper Das schlaue Füchslein (1921/23) zu hören, die sich in ihrem ganzen Gestus in die Nähe von Richard Strauss begibt, in den Klangfarben manchmal an Debussy erinnert. Freilich bleibt Janác?ek jederzeit und unbedingt authentisch mit seinem so eigentümlichen Stil, der neoklassizistische Kühle ebenso wie impressionistische Farben, spätromantische Glut und natürlich folkloristische Idiome kennt. Dazu war der 1854 geborene Tscheche ein großer Musikdramatiker und begeisterter Nationalist, er scheute auch das Pathos nicht.
Bei solch einer Vielfalt der Einflüsse nimmt es nicht Wunder, dass Interpreten durchaus unterschiedliche Janác?ek-Facetten herausstreichen können, ohne dem Komponisten deshalb zwangsläufig unrecht zu tun. Während beispielsweise Charles Mackerras in seinen Referenz-Aufnahmen gerade bei der Sinfonietta auf Subtilität setzt und die knisternde Spannung, die Bedrohung pflegt, also einen dramatischen Zugang wählt, nähert sich Nott den drei Werken distanzierter, wenngleich niemals kühl. Er begreift die Sinfonietta vielleicht mehr als ein Stück absoluter Musik.
Die Trompetenattacken im vierten Satz zum Beispiel strahlen und funkeln bei den Bamberger Sinfonikern erhaben, während Mackerras sie mit verschiedenen Orchestern spitz und ironisch spielen lässt. Die Auftakt-Fanfare ist Dank des hervorragenden und warm timbrierten Blechsatzes ein Glanzlicht. Im zweiten und dritten Satz irritiert bei Nott dagegen die schonungslose Direktheit des Klangs, hier gibt es zu wenig Geheimnisse. Dennoch: Diese CD ist ein höchst würdiger Beitrag zum Jubiläumsjahr der Bamberger.
Johannes Killyen