Henze, Hans Werner

Sinfonien 3-5

Rubrik: CDs
Verlag/Label: Wergo
erschienen in: das Orchester 12/2011 , Seite 80

Marek Janowskis Zyklus der Sinfonien Hans Werner Henzes schreitet weiter voran. Nach der 9. Sinfonie (Wergo WER 67222) und der 7. und 8. Sinfonie (WER 67212, siehe auch das Orchester 1/09) hat sich Janowski mit seinem Berliner Rundfunk-Sinfonieorchester nun der Sinfonien 3 bis 5 angenommen. Die zwischen 1950 und 1963 entstandenen Werke zeigen einerseits die schrittweise Ablösung Henzes, der am Ende dieser Zeit nicht umsonst ins selbst gewählte italienische „Exil“ ging, von den in Deutschland vorherrschenden musikalischen Doktrinen. Dass er dennoch dodekafone Techniken in den Sinfonien verwendete, ist kein Widerspruch, werden diese doch nie doktrinär eingesetzt. Schon dass Henze sich in dieser Zeit der Gattung der Sinfonie näherte, auch wenn er dem Sinfoniebegriff des 19. Jahrhunderts eine klare Absage erteilt, zeigt seine ideologische Eigenständigkeit.
Prägend für die Werke ist der Theaterbezug der Partituren. Die 3. Sinfonie mit den Sätzen „Anrufung Apolls“, „Dithyrambe“ und „Beschwörungstanz“ ist stark von rhythmischen Elementen geprägt: Strawinsky scheint teilweise nicht weit, die raffinierte Instrumentation (beispielsweise Saxofon und Vibrafon) erinnert an die Klangwelt der Berg’schen Lulu. Kein Wunder, dass Henze die Sinfonie schon kurz nach der Uraufführung als Ballett aufführen ließ. Die 4. Sinfonie basiert sogar weitgehend auf Material der Oper König Hirsch, das bei der tiefgreifenden Revision durch den Komponisten ganz aus der Oper herausgenommen und Grundlage der Sinfonie wurde. Zur Zeit der Entstehung der Fünften lebte Henze schon in Italien. Er charakterisierte das Werk als „tokkatenartige Großstadtbewegung, das moderne Rom, physische Energie, Tanz, hektisch und roh“.
Janowski und das hervorragende Berliner Rundfunk-Sinfonieorchester zeigen tiefes Verständnis für die Musik Henzes. Alles ist auf Klarheit und Nachzeichnen der musikalischen Verläufe angelegt, aparte Klangmischungen werden ebenso ausgespielt wie dynamische Höhepunkte differenziert gestaltet. Jurowski betont die „klassische“ Seite Henzes, während der Komponist in seiner eigenen Einspielung der ersten sechs Sinfonien rauher, gelegentlich expressiver vorging. Bei der auch klangtechnisch überzeugenden Neuaufnahme sind es oftmals hingegen die subtil herausgearbeiteten Details, die ins Verhältnis zum dichten musikalischen Geschehen gesetzt werden, die besonders überzeugen. Bei der Dritten wirkt die beherrschende Rhythmik noch etwas domestiziert, während sich die Berliner bei der dramatisch-schroffen Fünften von ihrer wild-ungebärdigen Seite zeigen. Eine wichtige Neueinspielung. Auf die Vollendung des Zyklus darf man gespannt sein.
Walter Schneckenburger