Bruckner, Anton

Sinfonie VII E-Dur

Rubrik: CDs
Verlag/Label: Coviello Classics COV 30405
erschienen in: das Orchester 07-08/2005 , Seite 88

Bruckners achte Sinfonie haben Marcus R. Bosch und das Sinfonieorchester Aachen schon eingespielt, jetzt war die Siebente an der Reihe. Sicher keine Bereicherung des CD-Repertoires, denn allein bei Amazon sind Dutzende Aufnahmen dieser wohl populärsten Bruckner-Sinfonie im Angebot, von Furtwängler bis Harnoncourt und Karajan bis Chailly. Doch eine gute Visitenkarte ist die vorliegende CD allemal. Eine derart konzentrierte Leistung live abzuliefern, das soll den traditionsreichen Aachenern ein anderes Stadttheaterorchester erst einmal nachmachen.
Dabei ist der 1969 geborene Marcus R. Bosch, der schon in seiner Zeit als Kapellmeister Geschick für große Formen zeigte (etwa in Halle mit Strauss’ Alpensinfonie), nicht auf Experimente aus. Weder legt er diese „Klangkathedrale“ bis auf die Trägerkonstruktion frei noch sucht er wie einst Karajan – der übrigens 1934 als Operndirektor nach Aachen berufen worden war – im Mischklang die Nähe Bruckners zu Wagner. Phrasierung und Dynamik sind bei Bosch jedoch genau ausgearbeitet, er steigert klug und verliert im Rausch der Klänge nicht den Kopf.
Gewiss gibt es klangliche Abstriche: Nach einem transparenten Beginn mit dem großen Kopfthema des ersten Satzes verschwimmt zum Beispiel das zweite Thema in den Weiten der Aachener St. Nikolaus-Kirche. Der Anfang des dritten Satzes mit seinem scharfen Trompetenmotiv erreicht den Hörer nur sehr indirekt. Immerhin stört keine zu spärliche Streicherbesetzung die Balance wie bei der Aufnahme der achten Sinfonie. Das Foto im Booklet kann jedenfalls nicht von der Live-Aufführung der Siebenten stammen: Zwei Kontrabässe bei Bruckner wären indiskutabel. Und eine Harfe ist in dieser Sinfonie auch nicht besetzt. Die Bonus-CD mit einer Dolby-Surround-Fassung dieser Aufnahme mag eine gelungene Referenz an eine zukunftsweisende Technik sein – was der Rezensent mangels technischer Ausstattung jedoch nicht überprüfen konnte.
Was man hören soll, ist aber auch so zu hören: ein Sinfonieorchester Aachen, das bei Streichern, Holzbläsern und Blech durchweg gut besetzt ist und auch am Ende der Materialschlacht um Bruckners Siebente kaum an Qualität einbüßt. Generalmusikdirektor Marcus R. Bosch wählt dabei unspektakuläre Tempi – mit Ausnahme des vierten Satzes („Bewegt, doch nicht schnell!“), den er deutlich zu rasch nimmt und somit unnötig Hektik erzeugt. Man vergleiche an dieser Stelle mit Karajans wunderbarem Tempo bei seiner letzten Aufnahme überhaupt.
Dass sie eine große Bruckner-Sinfonie live beherrschen, haben die Aachener nun bewiesen. Es wäre an der Zeit, nach weniger ausgetretenen Pfaden auf dem CD-Markt zu suchen.
Johannes Killyen