Raff, Joseph Joachim
Sinfonie Nr. 8 op. 205 “Frühlingsklänge” & Nr. 10 op. 213 “Zur Herbstzeit”
Mit diesen beiden CDs hat Tudor in Zusammenarbeit mit dem Bayerischen Rundfunk nunmehr den kompletten Zyklus aller elf Symphonien des deutsch-schweizerischen Komponisten Joseph Joachim Raff vorgelegt. Damit ist eine bedeutende Lücke im symphonischen Repertoire des 19. Jahrhunderts zwischen Mendelssohn und Schumann einerseits und Brahms, Bruckner und Tschaikowsky andererseits endlich vollständig gefüllt. Raff hat von dergleichen Bemühungen, unsere Wissenslücken bezüglich des 19. Jahrhunderts zu füllen, in den vergangenen Jahrzehnten (in Form von Editionen, Einspielungen und sogar der Gründung einer Raff-Gesellschaft) besonders profitiert.
Man hört mit Faszination, wie Raff versucht, zwischen der Programmmusik-Ästhetik der Neudeutschen (vor allem Liszts, dessen Assistent Raff einige Jahre war) und den traditionellen Ansprüchen an Form und stimmige Durcharbeitung zu vermitteln. Die Tradition behält dann allerdings doch weitgehend die Oberhand (nicht zuletzt durch die klassische Viersätzigkeit) und das Programmatische bleibt fast immer vage interessanterweise machte Raff die detaillierten Programme, die er für seine Symphonien anfertigte, gerade nicht öffentlich, sondern überließ die Deutung dem Publikum.
So beschränkt sich auch in den vier Jahreszeiten-Symphonien, mit denen Raff sein symphonisches uvre beschloss, der Verbaltext auf allgemeine Satztitel, deren Bezug zur Jahreszeit sich nicht immer erschließt (etwa Die Jagd der Elfen für das Scherzo der Sommer-Symphonie oder Eindrücke und Empfindungen für den Kopfsatz des Herbstes) und deren Aussage auch nicht immer ohne Weiteres in der Musik nachzuvollziehen ist.
Die Musiksprache ist nicht nur in den allgegenwärtigen Elfen-Scherzi die Mendelssohns und nicht die Liszts; man hört die Werke gerne, begreift aber doch, warum sie, obwohl zur damaligen Zeit durchaus erfolgreich, wenig später in Vergessenheit gerieten. Ebensowenig war es Raff vergönnt, auf der zeitgleich aufkommenden Welle der Nationalromantik mitzuschwimmen, die stilistisch ganz ähnlichen Symphonien (wie etwa Tschaikowskys und wenig später Dvor?áks) zu anhaltender Popularität verhalf.
Die Einspielung der Werke durch die Bamberger Symphoniker unter Hans Stadlmair hätte ein Rezensent aus Raffs eigener Zeit wohl als tüchtig bezeichnet: Ähnlich wie die Musik geht sie kaum Wagnisse ein. Der bewährte und gut eingespielte Klangkörper macht wenig falsch, wagt aber auch wenig: Tempi und Dynamik liegen weitgehend im mittleren Bereich, wo es schwer wird (und das kommt bei Raff ziemlich oft vor!), zeigen sich Unschärfen wohl weniger der Qualität des Orchesters als mangelnder Probenzeit geschuldet. Höhepunkte (sowohl kompositorisch wie interpretatorisch) sind dagegen die häufigen Kantilenen in mittlerer Lage, vom Rest des Orchesters umspielt hier badet man in der Fülle des Wohllauts.
Thomas Schmidt-Beste