Mahler, Gustav
Sinfonie Nr. 5 cis-Moll
An hervorragenden Aufnahmen der 5. Sinfonie Gustav Mahlers herrscht auf dem CD-Markt wahrlich kein Mangel. Von den schon legendären Einspielungen von Rafael Kubelik, Leonard Bernstein, Georg Solti, Claudio Abbado oder Simon Rattle bis hin zu den jüngsten Bemühungen im Rahmen von Gesamtaufnahmen des Zyklus der Sinfonien Mahlers von Valery Gergiev und Markus Stenz reicht hier die Auswahl. Eine weitere Neuaufnahme sollte da schon nicht nur einen hohen Orcherstandard und eine hervorragende Klangqualität, sondern auch eine eigene interpretatorische Handschrift zu bieten haben, um als sinnvolle Ergänzung erscheinen zu können.
Bei der durchaus gediegenen Neueinspielung der Neuen Philharmonie Westfalen unter Leitung ihres Generalmusikdirektors Heiko Mathias Förster werden solche Zweifel ob der Konkurrenzfähigkeit des Ansatzes zumindest nicht vollständig ausgeräumt. Die 1902 vollendete Fünfte eröffnet, wie das lesenswerte Booklet beschreibt, eine neue Phase im Schaffen Mahlers, was vor allem die Satz- und Instrumentationstechnik betrifft. Zugleich sind die Anforderungen an alle Orchestermusiker, wie Klaus Meyer treffend formuliert, bis zum hintersten Pult der zweiten Violinen immens. Was auch bei dieser weder räumlich noch die dynamische Staffelung betreffend besonders überzeugend aufgenommenen Einspielung der Neuen Philharmonie Westfalen immer wieder hörbar wird.
Sicher gelingt den Musikern eine akzeptable Ausleuchtung der differenzierten Partitur, durchgängig souverän wirkt das Orchesterspiel insgesamt gesehen ebenso wenig wie die Leistung des ersten Trompeters beim berühmten Beginn der Fünften. Förster gelingt eine durchaus akzeptable Sicht auf die cis-Moll-Sinfonie, aber immer wieder bleibt der interpretatorische Zugriff etwas unbestimmt.
Im Vergleich mit der sehr gut aufgenommenen Aufnahme von Stenz bei Oehms Classics mit dem fulminant aufspielenden Gürzenich-Orchester Köln wirkt beispielsweise das Scherzo doch etwas zu eindimensional. Der ironische Hintersinn und die Brechungen werden von den Kölnern insgesamt überzeugender realisiert, während Förster und seine Streicher beim berühmten Adagietto, das wirklich sehr langsam genommen wird, punkten können. Ein Mehr an atmosphärischer Dichte kann auch Gergiev bei seiner live mitgeschnittenen Sicht auf die Fünfte mit dem hochvirtuosen London Symphony Orchestra, erschienen auf LSO live, einbringen. Die Düsternis des einleitenden Trauermarschs profitiert davon ebenso wie die scheinbare Heiterkeit des Finales, das nicht nur in seiner kompositorischen Fraktur, sondern in seiner Vielschichtigkeit ausgeleuchtet wird. Förster und seine Neue Philharmonie Westfalen, die vor 15 Jahren aus dem Philharmonischen Orchester der Stadt Gelsenkirchen und dem Westfälischen Sinfonieorchester Recklinghausen entstand, gelingt dies mit einem orchestralen Kraftakt ebenfalls durchaus ansprechend.
Walter Schneckenburger