Bruckner, Anton

Sinfonie Nr. 3

Rubrik: CDs
Verlag/Label: Genuin 87086
erschienen in: das Orchester 12/2007 , Seite 84

Trotz der allgemeinen Klage über mangelndes Interesse an klassischer Musik, die viele international geführte Plattenfirmen dazu bewog, ihre E-Musik-Sparte deutlich zu reduzieren und Aufnahmeprojekte auf wenige medial taugliche Superstar wie Anna Netrebko zu konzentrieren oder dem Crossover in allen Spielarten mehr Raum einzuräumen, ist das Gesamtangebot an Neueinspielungen kaum geringer geworden. Inzwischen sind eine ganze Reihe rühriger kleinerer Firmen in die Bresche gesprungen, die munter weiterproduzieren. Diesen kam natürlich zugute, dass selbst so renommierte Orchester wie beispielsweise das Philadelphia Orchestra bei keinem der Majors mehr einen Plattenvertrag hat. Hier ist die Firma Ondine in die Bresche gesprungen, die nun das Philadelphia Orchestra unter Christoph Eschenbach international auf CD präsentiert.
Die neuen Einspielungen der traditionsreichen Dresdner Philharmoniker erscheinen inzwischen auf dem Label Genuin (Vertrieb Codaex). Unter ihrem Chefdirigenten Rafael Frühbeck de Burgos präsentiert sich das Orchester verstärkt wieder auf CD. Frühbeck de Burgos kann auf eine beachtenswerte Diskografie zurückblicken, und es ist sicher im Interesse der Dresdner Philharmoniker, auch auf dem Tonträgermarkt neben der traditionsreichen Dresdner Staatskapelle mit Neuaufnahmen präsent zu sein.
Dass Frühbeck de Burgos’ Wahl nach einer Zugaben-CD auf Bruckners 3. Sinfonie fiel, mag im ersten Augenblick überraschen, gilt der spanische Dirigent nicht unbedingt als Bruckner-Spezialist, aber es zeigt sich, dass er sich mit der Dritten auch im Konzertsaal intensiv auseinandergesetzt hat. Die Wahl der dritten Fassung von 1889 der „Wagnersinfonie“, wie Bruckners Dritte infolge der vielen Wagner-Zitate häufig genannt wird, die hauptsächlich in der Urfassung von 1873 zu hören sind – infolge der vielen Umarbeitungsstufen der Sinfonie sind sie in der letzten Fassung Bruckners längst nicht mehr so präsent wie 1873 –, dürfte kein Kriterium sein, Frühbeck de Burgos’ Ansatz im Vorfeld abzulehnen.
Sicher greifen in den zurückliegenden Jahren immer mehr Dirigenten zu der Urfassung wie jüngst beispielsweise Kent Nagano und das Deutsche Symphonie-Orchester Berlin oder Jonathan Nott und seine Bamberger Symphoniker, aber ein als Querdenker und „Bruckner-Rebell“ angesehener Dirigent wie Nikolaus Harnoncourt wählte die Fassung von 1877, und Günther Wand, dessen Bruckner-Kompetenz kaum anzuzweifeln ist, wählte für mehrere Einspielungen von Bruckners d-Moll-Sinfonie ebenso wie Rafael Frühbeck de Burgos die Fassung von 1889.
Diese Fassung letzter Hand mag nicht nur für Egon Voss, der die Dritte als „Bruckners Schmerzenkind“ ob ihrer häufigen Umarbeitungen bezeichnete, besonders durch die Kürzungen im Finale unbefriedigend sein, doch verdienen Rafael Frühbeck de Burgos und seine sehr konzentriert und klangschön musizierenden Dresdner Respekt. Die Tempi sind, auch im Vergleich mit Wand, recht breit gewählt, ohne dass sich der Eindruck von Pathos einstellen würde. Frühbeck de Burgos legt viel Wert auf klanglichen Feinschliff, Ausbrüche werden von ihm weitgehend elastisch abgefedert, ruppige Blechbläserattacken sind seine Sache weniger, auch wenn er im Finale dem wuchtigen Blech die Möglichkeit gibt sich zu profilieren. Unterstützt von der sehr plastischen Klangtechnik bildet er auf dieser in der Dresdner Lukas-Kirche aufgenommenen CD das Panorama der d-Moll-Sinfonie mit ungemein vielen Details ab.
Trotz des angestrebten Mischklangs, der von der leicht halligen Akustik unterstützt wird, wirkt das Spiel der Dresdner Philharmonie plastisch, der leicht dunkle Streicherklang ist sehr differenziert, die Holzbläser werden bei Frühbeck de Burgos in vielen Details beleuchtet. Die rhythmische Kraft Bruckners kommt indes gelegentlich etwas gebremst (Scherzo) daher. Auch wenn den Details viel Aufmerksamkeit gewidmet wird, zerfällt die Sinfonie nicht in schöne Einzelteile. Frühbeck de Burgos gelingt es im wunderbar ausgesungenen Adagio die Spannung zu halten, das Trio des Scherzos ist zwar ländlerhaft, nicht aber ohne an Eleganz zu verlieren. Einzig das Finale wirkt nach den vorhergegangenen Eindrücken etwas abrupt beendet, als habe Bruckner mehr sagen wollen, als es ihm in diesem Fall in der Fassung von 1889, bedingt durch äußere Einflüsse, möglich gewesen wäre.
Walter Schneckenburger