Antonín Dvořák

Sinfonie Nr. 3 Es-Dur op. 10 und Nr. 9 e-Moll op. 95 „Aus der neuen Welt“/Der Wassermann op. 107/Die Mittagshexe op. 108

Philharmonie Südestfalen, Ltg. Nabil Shehata

Rubrik: Rezension
Verlag/Label: Geniun
erschienen in: das Orchester 7-8/2024 , Seite 73

Beheimatet im ländlichen Siegerland ist die Philharmonie Südwestfalen in der Region das einzige professionelle Orchester, da man für einen Besuch in den nächstgelegenen Metropolen wie Köln, Dortmund oder Frankfurt/Main jeweils Wege von gut 100 Kilometern zurücklegen muss. Seit 1992 trägt der Klangkörper den offiziellen Titel Landesorchester Nordrhein-Westfalen und hat sich in der Region längst als feste Größe im Kulturleben etabliert. Ein Höhepunkt in der Geschichte der Philharmonie Südwestfalen war im letzten Jahr der Umzug in das neu errichtete Haus der Musik, wo das Orchester nun im Herzen der Stadt Siegen präsent ist.
Mit der vorliegenden CD-Einspielung wendet sich der Klangkörper unter Nabil Shehata, seit 2019 Chefdirigent der Philharmonie Südwestfalen, Antonín Dvořák zu. Bei dem eingespielten Programm mit zwei Sinfonien und zwei sinfonischen Dichtungen wird zugleich ein interessanter Aspekt im Schaffen des Meisters deutlich. Denn mit der Sinfonie als konservativer und der sinfonischen Dichtung als fortschrittlicher Gattung werden in Dvořáks Komponistenpersönlichkeit zwei gegensätzliche ästhetische Richtungen vereint. Als böhmischer Komponist in der Entwicklungsphase der sogenannten nationalen Schulen stand Dvořák etwas abseits des damaligen Parteienstreits zwischen Neudeutschen und Konservativen, was ihm eine unbefangene und zugleich fruchtbare Beschäftigung mit beiden Gattungen ermöglichte.
Die vorliegende Einspielung bildet einen repräsentativen Querschnitt durch eben jene Vielseitigkeit von Dvořáks Schaffen und besticht mit ihrem warmen und farbenreichen Orchesterklang. Besonders ergreifend wirkt immer wieder die ein oder andere Passage einzelner Instrumente, etwa der Einsatz des Englischhorns im zweiten Satz der Sinfonie Nr. 9, dessen Melodie eine der schönsten Solopassagen darstellt, die jemals für dieses Instrument geschrieben wurden. In der vorliegenden Einspielung erklingt diese Passage geradezu meisterhaft interpretiert und besticht vor allem mit ihrer subtilen Anmut, aber auch mit der geschmackvollen Balance zwischen Englischhorn und der Klangsphäre der Streicher, die wie eine dezente Projektionsfläche erscheinen. Ebenso gelungen sind die Interpretationen der Sinfonischen Dichtungen Der Wassermann und Die Mittagshexe, wobei sich der programmatische Inhalt durch den nuancenreichen Klang eindrucksvoll widerspiegelt.
Neben Anton Bruckner kann auch Dvořák als Jubilar des Jahres gelten. So jährt sich 2024 der Tod des großen böhmischen Sinfonikers zum 120. Mal. Mit der vorliegenden, ausgesprochen klangschönen Einspielung hat die Philharmonie Südwestfalen die Musikwelt um eine gelungene Würdigung zu diesem Jahrestag bereichert.
Bernd Wladika