Rachmaninow, Sergej

Sinfonie Nr. 2

Dortmunder Philharmoniker, Ltg. Gabriel Feltz

Rubrik: CDs
Verlag/Label: Dreyer Gaido CD 21090
erschienen in: das Orchester 04/2016 , Seite 74

Ist das schon ein Fall für Zahlenmystiker? Rachmaninow hat es mit der Zwei! Das zweite Klavierkonzert und die zweite Sinfonie – das sind die eigentlichen Preziosen in ihrem jeweiligen Gattungsumfeld, sein berühmtestes Prélude, jenes in cis-Moll, trägt die Nr. 2 unter den Morceaux de fantaisie für Soloklavier, beim zweiten seiner Chorwerke schließlich handelt es sich um die großartige Chrysostomus-Liturgie…
In nahezu keiner seiner Kompositionen kann Rachmaninow sein russisches Idiom verleugnen (will es natürlich auch gar nicht!), aber die 1908 umjubelt uraufgeführte zweite Sinfonie mit ihren schwärmerischen Themen ist wohl doch das „russischste“ unter seinen Instrumentalwerken: „Sie ist russisch durch und durch, voller Schwermut, Kraft und Melancholie“, so der Booklettext. (In diese zweite Sinfonie wird oftmals Rachmaninows Heimweh nach Russland hineingeheimnist, was aber nur bedingt zutrifft; die ersten Skizzen entstanden zwar in der Dresdner „Gartenvilla“, die endgültige Niederschrift aber erfolgt in seiner Sommerfrische Ivanovka, unweit der russischen Stadt Tambow.)
Gabriel Feltz hat sich mit Rachmaninow, der ihm längst zu einer Art „Hausgott“ geworden ist, bereits einen guten Namen gemacht. Im Jahr 2007 erhielten die Stuttgarter Philharmoniker, denen Feltz damals vorstand, den Prix Rachmaninoff der „Serge Rachmaninoff Foundation“. Was Wunder, wenn der Orchesterleiter mit den brillanten Dortmunder Philharmonikern – für mich einer der derzeit besten Klangkörper Deutschlands – auch in der vorliegenden Aufnahme zu glänzen versteht! Die zweite Sinfonie markiert den Anfang einer von den Dortmundern geplanten Gesamteinspielung von Rachmaninows sinfonischem Werk.
Das Orchester beginnt sehr weich, spielt äußerst inspiriert und wie aus einem Guss, das Blech verströmt eine geradezu südländische Wärme, und wenn im zweiten Satz ein bisschen Hollywood anzuklingen scheint, so ist das keineswegs wertmindernd. Das Adagio mit seinem beinahe endlosen, lyrischen Klarinettensolo, ein beliebter Wunschkonzert-Hit, läuft oft Gefahr, ins Banale und Kitschige abzudriften – nicht so bei diesen Dortmundern, die das fraglos vorhandene romantische Element zwar nicht unterschlagen, aber auch nicht übertrieben in den Vordergrund rücken. Der in seiner Melodik verschwenderische vierte Satz (Allegro vivace) schließlich wird von Feltz mit Gespanntheit, aber auch wundervoll ausdifferenziert dargeboten. Überhaupt führt er sein Orchester mit Verve und Eleganz durch die Partitur, und es gelingt dem Ensemble eine unerhört transparente Aufnahme, die sich nicht zuletzt auch der einzigartigen Akustik des Dortmunder Konzerthauses verdanken dürfte.
Friedemann Kluge