Mahler, Gustav
Sinfonie Nr. 2 c-Moll
"Auferstehungs-Sinfonie"
In nur zehn Jahren ist es Dieter Oehms gelungen, quasi von Null an ein inzwischen geschätztes Label zu etablieren und einen ebenso gewichtigen wie prall gefüllten Katalog aufzubauen. Hier findet man aber nicht nur Raritäten vom Rande, sondern auch große Opern und sinfonisches Repertoire in der Regel mit Orchestern aus dem deutschen Sprachraum, wie etwa dem Gürzenich-Orchester Köln (Mahler), dem damaligen Rundfunk-Sinfonieorchester Saarbrücken (Bruckner) oder eben den Hamburger Philharmonikern.
Und die traditionsreichen Hanseaten haben unter Simone Young (seit 2005 Intendantin der Staatsoper und Generalmusikdirektorin in Personalunion) eine beeindruckende Palette von Einspielungen vorgelegt, die unter anderem einen kompletten Ring umfasst, aber auch Hindemiths Oper Mathis der Mahler. Bei Bruckners Sinfonien setzt man (mit großem Erfolg) auf die noch immer weithin unbekannten Erstfassungen, und nun kündigt sich mit Mahlers 2. Sinfonie möglicherweise schon der nächste Zyklus an. Dass ausgerechnet die Nr. 2 auf den Pulten liegt, ist vermutlich den Überlegungen einer kontinuierlichen Saisonplanung geschuldet, doch zeugt die Wahl auch von gesundem Selbstvertrauen und der genauen Kenntnis des eigenen technischen wie interpretatorischen Vermögens angesichts der vielfach namhaften, gelegentlich aber auch erstaunlich konturlosen Konkurrenz.
Wie schon bei Bruckner setzt Simone Young auch bei der so genannten Auferstehungs-Sinfonie auf ein durchgehend flüssiges, mitunter gar zügiges Tempo. Nach außen dokumentiert sich dies in der kürzeren Spieldauer, die es ermöglicht, das Werk auf einer einzigen CD zu fassen einmal davon abgesehen, dass die von Mahler nach dem ersten Satz verlangte Pause von wenigstens fünf Minuten somit ausfallen muss.
Deutlichstes Merkmal der Einspielung ist aber wohl der alle Sätze durchziehende rasche Atem, der trotz eines mitunter überaus forschen Zugriffs nie gehetzt oder gar unnatürlich gewollt wirkt. Dennoch: So sehr dies dem Beginn des Kopfsatzes zugute kommt, so ungewohnt klingt die von Mahler mit molto pesante charakterisierte Katharsis (Ziffer 20), die hier eher vorüberzieht als einen Einschnitt markiert (schon zuvor erschien bei Ziffer 18 die Zäsur nicht deutlich genug). Young vermeidet damit die Gefahren einer auf hohlem Pathos basierenden Klangmächtigkeit oder eines selbstverliebten Tiefgangs, ohne die von Mahler im Kern angelegte dramatische, wenn nicht gar seismische Energie zu opfern ein Zugriff, der sich vor allem in den Binnensätzen bestens bewährt und diese aufwertet sowie das Urlicht in ungewohnt unsentimentaler Klarheit aufscheinen lässt. Selbst das Finale gewinnt auf diese Weise eine mitreißende Strahlkraft, die nicht durch Absätze erzwungen wird, sondern von nichts anderem als der musikalischen Substanz ausgeht. Neben Solisten und Chor spielen die Hamburger Philharmoniker bei diesem Live-Mitschnitt auf beeindruckend hohem Niveau.
Michael Kube


