Robert Schumann

Sinfonie Nr. 1 B-Dur op. 38, Sinfonie Nr. 2 C-Dur op. 61, Sinfonie Nr. 3 Es-Dur op. 97, Sinfonie Nr. 4 d-Moll op. 120

Dresdner Philharmonie, Ltg. Marek Janowski

Rubrik: Rezension
Verlag/Label: Pentatone
erschienen in: das Orchester 7-8/2024 , Seite 71

Beethovens Sinfonien galten, was die späteren Neuschöpfungen in dieser Gattung angeht, für die nachfolgenden Generationen von Kompo­nisten als fast unüberwindlich. Vor allem mit seiner neunten Sinfonie hatte Beethoven Maßstäbe gesetzt, die die formalen Lösungen des Genres bis ins Letzte ausgereizt hatten. Schubert und Mendelssohn, ja selbst noch Brahms hatten ihre liebe Not mit ihren Gattungsbeiträgen. Für Robert Schumann war das nicht anders. Er suchte in seinen vier Sinfonien seine überquellende Inspiration und Fantasie einzubringen und doch den formalen Rahmen erkennbar zu halten.
Marek Janowski, der heute 85-Jährige, hat innerhalb seiner zweiten „Amtszeit“ als Chefdirigent der Dresdner Philharmonie von 2019 bis 2023 (eine erste Chefposition mit diesem Orchester hatte er schon zwischen 2001 und 2003 inne gehabt) alle vier Schumann-Sinfonien im 2017 neu eröffneten architektonisch und akustisch gelungenen Konzertsaal im Dresdner Kulturpalast eingespielt. Die nun vorgelegte Aufnahme besticht mit einer überragenden Klarheit, mit klanglichem Feinschliff und einer beeindruckenden analytischen Tiefe. Schumanns Reihung einer Vielgestaltigkeit von thematisch-motivischen Ebenen gehen Janowski und die Dresdner Philharmonie mit höchster Feinzeichnung und Differenzierung an. Der Dirigent weiß mit seinem Orchester auch in seiner analytischen Bewertung der Gleichzeitigkeit des Nebeneinanders unterschiedlicher musikalischer Schichtungen zu beeindrucken und dabei gewissermaßen auch Vordergrund und Hintergrund zu evozieren, ebenso wie er im Nacheinander des thematischen Gefüges mit feinnervigen Kontrastsetzungen die musikalische Fortentwicklung ungemein spannungsreich und lebendig zu beleuchten vermag. Die Dresdner Philharmonie folgt Janowski hierbei mit höchster Präzision und klanglicher Feinnervigkeit und – insbesondere von Seiten der Holzbläser – mit geschmeidigem tonlichen Ebenmaß. Mit edler Kantabilität versteht Janowski die langsamen Einleitungen und die langsamen Sätze anzugehen, wobei er immer Schumanns Vielgestaltigkeit wach in den Blick nimmt und immer auf die Fortentwicklungen schaut und das musikalische Gefüge ungemein spannungsreich und lebendig zu erfassen weiß. In der interpretatorischen Herangehensweise eröffnen sich dem Hörer die kompositorischen Strukturen mit einer umwerfenden Klarheit: Das Scherzo der C-Dur-Sinfonie etwa lässt deutlich erkennen, dass hier Mendelssohn Vorbild war.
In den raschen Sätzen könnte die Balance zwischen den unterschiedlichen Instrumentengruppen und die sich hieraus ergebende Transparenz nicht ausgewogener sein, die Farbgebung nicht noch feiner gewählt sein. Das in sich so herausragend geschichtete Stimmengewebe hört man voller Zugkraft entwickelt und doch immer voller feinster Subtilität ausgeleuchtet.
Thomas Bopp