Mozart, Wolfgang Amadeus

Sinfonie in g-Moll

Zeitgenössische Bearbeitung für Streichquintett von Peter Lichtenthal, Partitur/Stimmen

Rubrik: Noten
Verlag/Label: Edition Güntersberg, Heidelberg 2007
erschienen in: das Orchester 10/2007 , Seite 76

Gäbe es eine Statistik, von welchem Komponisten die meisten Bearbeitungen existieren, rangierte Wolfgang Amadeus Mozart mit Sicherheit ganz oben. Selbst zu seinen Lebzeiten fing dies bereits an, der Komponist selbst leistete dafür Vorschub und insbesondere das 19. Jahrhundert glänzte durch eine unüberschaubare Anzahl solcher Bearbeitungen aller erdenklicher Besetzungen.
Im vorliegenden Fall bearbeitete der 1780 im damaligen Preßburg geborene Peter Lichtenthal – ein Bratsche spielender Arzt – die berühmte Sinfonie in g-Moll KV 550 für Streichquintett. Nach 1810 soll Lichtenthal als „Beamter der Königlichen Lombardisch-Venezianischen Regierung“ nach Mailand gegangen sein und bearbeitete, so der Autor des Vorworts Frohmut Dangel-Hofmann, nach 1820 eine Reihe von Mozart’schen Werken, u.a. sogar das Requiem KV 626 für Streichquartett.
30 Jahre nach Mozarts Tod noch von einer „zeitgenössischen“ Bearbeitung zu sprechen, trifft den Sachverhalt allerdings ebenso wenig, als wenn man in den 1920er Jahren von einer „frühen Rezeption“ der Werke Mozarts spräche. Richtig ist, dass damals eine große Musizierfreude herrschte und eine daraus resultierende Bearbeitungswut nicht nur in Bezug auf Sinfonien.
Peter Lichtenthals Bearbeitung für Streichquintett folgt in der Besetzung Mozarts eigenen Streichquintetten mit zwei Bratschen, welche in der Partitur als „divisi“, also geteilt, notiert sind. Das Cello schrieb er oft eine Oktave tiefer, um einen volleren Klang zu erhalten. Die Instrumentierung der g-Moll-Sinfonie kam Lichtenthal insofern entgegen, da Mozart zu Beginn des Werks, in Teilen der Exposition (T. 105-114), in der Reprise (T. 166-176) sowie im letzten Satz beispielsweise die Takte 71-84, 148-160 und 247-260 ohne Bläser instrumentiert hatte.
Auf der den Klang festfügenden und stützenden Harmonie, bestehend aus je zwei Flöten, Oboen, Fagotte und Hörner sowie den beiden nachgefügten Klarinetten, ist somit verzichtet worden. Die durchbrochene Arbeit, für welche insbesondere wegen der abwechslungsreichen Klangwirkung die Holzbläser prädestiniert sind (z.B. im I. Satz die Takte 72-76 und 80-84), sind auf Violine II und Viola I verteilt und geben lediglich die nüchterne Satztechnik beinahe wie in einem Klavierauszug wieder.
So vermisst man beispielsweise auch die reizend-zart instrumentierte Passage im langsamen Satz (T. 57-61), wo sich Streicher und Holzbläser dialogisch, fast liebevoll die Seufzermotive in den Zweiunddreißigsteln einander zuwerfen. Das gleiche gilt für die ähnliche Parallelstelle, in der die Holzbläser untereinander diese zerbrechlichen Motive für sich vereinnahmen. Im Trio des III. Satz verfuhr der Arrangeur ähnlich wie im letzten Satz in den Takten 135 bis 147, wobei hier die Streicher selbst in der Motivwiederholung involviert sind und klanglich wenig Abwechslung bieten.
Ein insgesamt selbstverständliches Verfahren des Arrangierens, das die ganze Sinfonie durchzieht. Oft versammelt sich die ganze Harmonie in einer einzigen Bratsche wie in Takt 198 des ersten Satzes. Auf die typischen, zeitweise über mehrere Takte gehenden Liegetöne verzichtete Lichthenthal ganz, da sie meistens ausschließlich der Farbgrundierung dienen und als gestrichener Orgelpunkt wenig ausrichten. Um die größtmögliche Authentizität zu wahren, übernahm Lichtenthal die Streicherstimmen fast wörtlich, auch wenn er, wie in Takt 234 f., durchaus vermeidbare Oktavbrüche fabriziert, da die Violine I hier kurioserweise pausiert. Um dann doch gewisse subtile Klangnuancen zu erzeugen, ließ Lichtenthal auch eine klangverstärkende Oktavierung der beiden Violinen wie in Takt 65 des II. Satzes weg, obwohl es Mozart vorgesehen hatte und die Violine I bereits in Takt 26 solistisch besetzt hatte. In der weiteren Parallelstelle jedoch, T. 97, nimmt er Mozarts Vorschlag wortwörtlich auf.
Im Druck selbst fallen jeweils zu Beginn der Sätze die übermäßig groß gedruckten Tempobezeichnungen auf, die störend ins Auge stechen. Ein ausführlicher Kritischer Bericht hält genauestens die Abweichungen des Lichtenthal-Manuskripts von der Notenausgabe fest. Trotz aller klanglichen Zugeständnisse, die solch ein Vorhaben mit sich bringt, kann diese Ausgabe ein willkommener Anlass sein, die Sinfonie im kleinen Kreise zu musizieren.
Werner Bodendorff