Haydn, Joseph

Sinfonie in C “L’Ours” Hob. I:82

Partitur, hg. von Sonja Gerlach und Klaus Lippe

Rubrik: Noten
Verlag/Label: Bärenreiter, Kassel 2006
erschienen in: das Orchester 10/2007 , Seite 76

Joseph Haydn komponierte 1786 insgesamt sechs Sinfonien für die Pariser Konzerte der „Loge Olympique“, von denen die beiden ersten hier in Nachdrucken der 1971 und 1999 bei Henle in München erschienenen Gesamtausgabe vorliegen. Wie so viele andere Instrumentalwerke des fruchtbaren Komponisten erhielten auch sie Beinamen und sind so leichter identifizierbar: Während bei ersterer das Finale für den Titel prägend war (aufgrund der dortigen Bordunbässe kursierte es schon bald als „Bärentanz“), sorgte bei der anderen ein musikalischer Effekt des ersten Satzes für eine „animalische“ Assoziation: In den unablässigen, rhythmisch prägnanten Tonrepetitionen der Solo-Oboe (später noch durch eine Flöte ergänzt), mit denen das Seitenthema kontrapunktiert wird, glaubte man das Gackern einer Henne zu erkennen – es könnte auch als Meckern empfunden werden, aber eine Ziege galt vielleicht als zu unmusikalisch.
Haydn war zumindest in späteren Jahren größeren Reisen durchaus nicht abgeneigt, doch Paris hat er nie besucht und die dortigen Orchestergewohnheiten offenbar nicht gekannt oder sie zumindest ignoriert: Statt der in Frankreich beliebten Klarinetten verwendete er nämlich die in Eszterháza gebräuchlichen Oboen. Hinzu kommen eine Flöte, je zwei Fagotte und Hörner (in der Sinfonie Nr. 82 bis auf den 2. Satz alternativ zwei Trompeten mit Pauken) sowie die Streicher.
Wie bei den meisten Gesamtausgaben, so zieht auch diejenige der Werke Haydns praktische Editionen nach sich – die „akademische“ Beschäftigung mit Musik kann nunmehr den Weg in den Konzertsaal finden. Hier handelt es sich um Partituren im für Dirigenten gebräuchlichen Folioformat mit einem angenehmen, großzügigen Notenbild; parallel dazu erschien im gleichen Verlag das Aufführungsmaterial. Natürlich verzichtete man jetzt auf den ausführlichen Kritischen Bericht, dessen wichtigste Ergebnisse dafür in den knappen Vorworten (in deutsch und englisch) referiert werden.
Bei „La Poule“ geht es beispielsweise um die im Lauf der Werkgeschichte uneinheitlich behandelte Besetzung mit Hörnern und/oder Trompeten. Das Autograf (und also auch die vorliegende Ausgabe) schreibt „oder“ vor, was so aber offensichtlich etwas zu knapp dargestellt ist, weil damals Trompeten in langsamen Sätzen traditionell nicht vorkamen (tatsächlich heißt es im Allegretto nur „2 Corni“). Außerdem hätte man noch darauf hinweisen sollen, dass Pauken immer in Verbindung mit Trompeten erklingen und bei einer Interpretation allein mit Hörnern also entfallen. Gleichwohl ist eine solche Ausgabe, die auf gesicherten Forschungsergebnissen beruht, sehr willkommen und wird sich auf das Konzertleben sicher schnell auswirken.
Georg Günther