Bruckner, Anton

Sinfonie III d-Moll

Rubrik: CDs
Verlag/Label: Coviello Classics 30614
erschienen in: das Orchester 09/2007 , Seite 87

Seit seinem Amtsantritt als Generalmusikdirektor des Sinfonieorchesters Aachen hat Marcus Bosch eine zwar wenig innovative, aber dennoch beachtenswerte Diskografie vorgelegt, die durchaus einer Linie folgt. Mozarts Requiem und Verdis Requiem sind dabei, Bachs h-Moll-Messe, weitere geistliche Vokalwerke von Mozart sowie das Konzert für zwei Klaviere KV 365, etwas abseits des Rahmens eine Cellorhapsodie von Mikis Theodorakis. Schließlich aber von Anton Bruckner die fünfte, siebente, achte und nun auch dritte Sinfonie – aufgenommen jeweils live und in Superaudio-Qualität in der Aachener St. Nikolauskirche.
Eine Vorliebe fürs Sakrale, namentlich Katholische, ist deutlich zu erkennen. Vielleicht zollt Bosch mit diesem „großen“ Repertoire aber auch seinen Amtsvorgängern Fritz Busch, Herbert von Karajan und Wolfgang Sawallisch Respekt, deren Fußstapfen alles andere als klein sind. Wie auch immer: Die Aachener wollen ein Orchester von überregionaler Bedeutung sein – und sie sind es, wenn man dieser Einspielung folgt.
Die CD stellt zuerst die Leistungsfähigkeit des Ensembles unter Beweis, dem am Tag des Live-Mitschnitts eine sehr konzentrierte und geschlossene Leistung gelungen ist. Für ein Kirchenkonzert klingt das Ensemble erstaunlich durchsichtig, klangliche Mängel und Balanceprobleme aus früheren Bruckner-Aufnahmen der Aachener sind behoben. Ausgesprochen warm schmeicheln die Streicher, blitzsauber ausgestimmt sind die Holzbläser, das Blech strahlt gerne und gut – und verschmäht auch scharfe Attacken nicht. Bei allem Bombast ist dem Orchester keinerlei Schwerfälligkeit anzumerken, es reagiert prompt auf die Vorgaben des Dirigenten und ist zu sehr differenzierter Dynamik und Artikulation fähig.
Warum Marcus Bosch sich für die erste Fassung (1873) der dritten Bruckner-Sinfonie entschieden hat, von der es bekanntlich drei Versionen gibt (zuzüglich einer weiteren Variante des langsamen Satzes), steht im insgesamt ordentlichen Booklet nicht. Das ist aber auch nicht weiter tragisch, denn der Streit um die Fassungen (wenn er denn als Streit geführt wird) kann ohnehin nur wie das Hornberger Schießen ausgehen.
Entscheidender ist wohl, dass Boschs Interpretation den Eindruck eines schönen Einklangs von Gefühl und Verstand vermittelt und auf spektakuläre Effekte verzichtet. Keine Steigerung, kein Rubato wirkt zufällig, und doch werden die Bögen nie in ein starres Schema gepresst. Der 1969 geborene Dirigent macht deutlich, welch ein Ausnahmerang der Dritten zukommt, diesem existenziellen und so oft kritisierten Geniestreich. Am besten ist das im zweiten Satz zu hören, für den Bosch sich viel, aber nicht zu viel Zeit nimmt. Auch im größten Ritardando gehen ihm nicht der Impuls nach vorne und die Leichtigkeit verloren. Marcus Bosch ist offenbar gewachsen an diesem Bruckner-Zyklus.
Johannes Killyen