Hüttenbrenner, Anselm
Sinfonie concertante a-Moll
für großes Orchester, Erstausgabe
Anselm Hüttenbrenner (1794-1868) ist vor allem als Freund Franz Schuberts bekannt. In Graz geboren, erhielt er in Wien an dessen Seite Gesangs- und Kompositionsunterricht beim Italiener Antonio Salieri. Später lebte er in Graz und Wien. Sein erstaunliches uvre umfasst u.a. acht Opern, sechs Messen, drei Requien, vier Streichquartette und weitere Kammermusik, Klavierwerke, Chorwerke sowie über 200 Lieder. Für Orchester hat er neben Ouvertüren, einem Concertino und einer Polonaise für Violine und Orchester auch zwei Sinfonien hinterlassen. Im Accolade-Verlag wurde nun erstmals die Partitur seiner Sinfonie concertante a-Moll (1837) verlegt. Herausgeber ist Peter Schmelzer-Ziringer, Obmann des in Graz beheimateten Anselm Hüttenbrenner Förderverein für junge Künstler. Der österreichische Dirigent leitete auch die Grazer Erstaufführung der Sinfonie am 9. Mai 2010 in St. Veit und spielte sie bei dieser Gelegenheit auf CD ein.
Eine konzertante Sinfonie aus dieser Zeit ist schon etwas Besonderes. Die von Haydn und Mozart gepflegte Gattung erlebte Anfang des 19. Jahrhunderts auch in Frankreich einen Aufschwung. Diese Sinfonien mit konzertanten Solostimmen waren beim Publikum sehr beliebt, boten sie den Hörern doch viel Abwechslung. In vorliegenden Fall bezieht sich der Zusatz concertante vor allem auf die für eine Sinfonie unüblichen Solokadenzen im ersten und zweiten Satz sowie auf einen konzertierenden Mittelteil im Finale. Dort treten zwei Violinen, Flöten und Klarinetten solistisch hervor, während das Orchester die Rolle eines Begleiters übernimmt; später folgt noch eine Kadenz für Solovioline. Ein Querverweis auf Hüttenbrenners konzertante Werke für Violine mag dabei von Belang sein. Neben der auch vom Herausgeber im Vorwort bemerkten kantablen Stimmführung ist der harmonische Plan im Kopfsatz Allegro con spirito beachtlich. Die Tonart des a-Moll-Satzes wechselt in der Durchführung zum chromatisch um einen Halbton verrückten As-Dur/as-Moll. Die Reprise bringt dann wieder fast regulär eine Dur-Aufhellung am Schluss.
Sicher weisen solche harmonische Ausweichungen auch auf die genaue Kenntnis von Schuberts Sinfonien.
Regulär ist neben der Orchesterbesetzung auch die Satzfolge der Sinfonie mit einem dreiteiligen Adagio C-Dur an zweiter und einem Allegro molto-Scherzo F-Dur an dritter Stelle. Das Finale steht in A-Dur. Untypisch ist allerdings der Wechsel der Grundtonart in jedem Satz. Für das Scherzo mag Beethoven Pate gestanden haben, obgleich dessen rhythmisch-synkopische Gewalt bei Hüttenbrenner etwas gemildert ist. Die individuelle Anlage des Finales mit seinem konzertanten Mittelteil erinnert an Vorlagen aus Frankreich: So nutzt Nikolas Isouards Ouvertüre
zu Cendrillon (1810) eine ähnliche A-B-A-Anlage. Sicher mag für Hüttenbrenner außerdem die österreichische Vorliebe für konzertante Sinfonien eine Rolle gespielt haben. Auch daher ist seine Sinfonie concertante ein bemerkenswertes Zeitdokument.
Matthias Corvin