Agrell, Johan Joachim

Sinfonia ex D

für 2 Clarini und Streichorchester

Rubrik: Noten
Verlag/Label: Edition Gamma, Bad Schwalbach 2011
erschienen in: das Orchester 11/2011 , Seite 70

Viele Vokalwerke des schwedischen Komponisten, Cembalisten und Geigers Johan Joachim Agrell sind verschollen, doch ein Teil seiner Inst­ru­mentalwerke blieb, wenn auch an verschiedenen Orten Mitteleuropas verstreut, erhalten. Ab 1723 in hessischen Diensten wurde Agrell 1746 Kapellmeister in Nürnberg und Kantor an den Hauptkirchen der Stadt. Den Formen und der Klangtechnik seiner Zeit verpflichtet, fanden seine Werke eine rasche Verbreitung.
Die Sinfonia ex D, um 1760 entstanden, führte lange ein Schattendasein. Neben dem obligaten Streichorchester ist die Sinfonia in drei Sätzen mit zwei Bachtrompeten in D besetzt, möglicherweise von der hoch entwickelten und weithin bekannten Blasinstrumentenbaukunst Mittelfrankens inspiriert. Stilistisch ist das Werk der Mannheimer Schule zuzuordnen.
Im ersten Satz Allegro ist über weite Strecken eine identische Stimmführung von Violine I und II erkennbar, ähnlich dem Violino grosso bei Telemann und Vivaldi. Ab Takt 4 hat die Violine I zunehmend Solostellen. Es stellt sich hier die Frage, ob die Violine II geteilt oder in Akkorden gespielt werden sollte, um einen „Schrammeleffekt“ zu vermeiden. Eine Gruppierungsklammer könnte hilfreich für den Dirigenten sein. Im stile concitato ab Takt 30 ff. werden in Violine I die spieltechnischen Möglichkeiten ausgeschöpft. Der Bass wird von der Viola verstärkt, häufig ist die Bratsche auch der „Oktavlümmel“ des Violoncellos.
Die Clarini bereichern die Oberstimmen um eine neue Klangfarbe. Die Trompeten werden nicht nur solistisch eingesetzt, sondern haben auch begleitende Funktion. Die Begleitungen sind typisch im Naturtonbereich angesiedelt, da diese Blechblasinstrumente keine Klappen besitzen. In Takt 34 klingt das h”, welches das Clarino I in D intoniert, ein wenig gewagt, das dis” in Violine II, was im selben Takt erklingt, wirkt fremd. Die Modulation nach e-Moll in Takt 36 scheint hier die beste Lösung zu sein. Ab Takt 50 meint man sich in einer Violinstimme von Vivaldi wiederzufinden.
Der langsame Mittelsatz Grave bringt mit d-Moll einen Kontrast zu den Ecksätzen. Die Naturtrompeten haben tacet. In Takt 2 und 4 finden sich Fermaten in allen Streicherstimmen. In einer praktischen Ausgabe für Laienmusiker wäre hier eine kleine Kadenz wünschenswert. In den Takten 24 ff. ist das gleiche Phänomen erkennbar, auch die Stichnote könnte hier angegeben sein. Im lebhaften dritten Satz ist wiederum eine weitgehende parallele Stimmführung von Violine I und II sowie Clarino I und II vorherrschend. Wie schon im ersten Satz bestreitet die Viola auch im dritten einige Takte den Bass allein. Zur akustischen Verstärkung kann hier eine kleine Orgel empfehlenswert sein. Die Bläserstimmen spielen im Finalsatz häufig Dreiklänge und sind nur zeitweise am melodischen Geschehen beteiligt. Die Violine ist hier, wie schon in den anderen Sätzen, das konzertante Element. In den Schlusstakten spielen die Streicher Doppelgriffe als Effekt.
Der Herausgeber der praktischen Erstausgabe von Agrells Sinfonia ex D versucht, den alten Textvorgaben treu zu bleiben. Zuweilen wünscht man sich etwas mehr editorische Eingriffe, um besonders Laienmusiker an die Spielpraxis des 18. Jahrhunderts heranführen zu können.
Juliane E. Bally