Prokofjew, Sergej
Sinfonia Concertante/Romeo & Juliet First Suite
Sergej Prokofjews Sinfonia Concertante oder Sinfonie-Konzert, wie das Werk auch genannt wird, stellt eine der größten Herausforderungen innerhalb des konzertanten Repertoires für Violoncello dar. Enstanden als Überarbeitung des Cellokonzerts op. 58 in enger Zusammenarbeit mit Mstislaw Rostropowitsch, dem Solisten der Uraufführung , verlangt die dreisätzige Komposition über ihre vierzig Minuten Spieldauer dem Solisten eine solch leistungssportliche und beinahe pausenlose Kraftanstrengung ab, dass nur wenige Cellisten sich an dieses Monstrum herantrauen. Liegt es also an diesen mannigfachen Schwierigkeiten, dass das Opus nach wie vor äußerst selten gespielt und aufgenommen wird? Oder vielleicht doch eher daran, dass die drei fast im gleichen Tempo gehaltenen Sätze nicht wirklich miteinander kontrastieren?
Wie dem auch sei, die junge koreanische Cellistin YuJeong Lee stellt sich den Anforderungen dieses Spätwerks Prokofjews furchtlos und vermag mit ihrer Interpretation rückhaltlos zu überzeugen. Manuelle Begrenzungen kennt diese Künstlerin nicht. Ihr Spiel ist durchweg kraftvoll, mit großem, voluminösem Ton, und sie stürzt sich voller Wagemut auch noch in die halsbrecherischsten Passagen. Dass Prokofjews typische Ironie zuweilen in Aggressivität umschlägt, wird in dieser Interpretation so deutlich wie sonst nur selten. Wenn es angebracht ist, weiß die Solistin sich aber auch zurückzunehmen und bleibt der reichen, wenn auch nie schwelgerischen Lyrik des Werks nichts schuldig.
Adäquat unterstützt wird sie dabei von der Norddeutschen Philharmonie Rostock unter der Leitung ihres Chefdirigenten, des Wieners Florian Krumpböck, der auch als Pianist äußerst erfolgreich tätig ist. Die
Musiker beweisen Gespür für die oft recht basslastigen Klangfarben der Komposition, auch für ihre gelegentliche Ruppigkeit man höre etwa den Schluss des zweiten Satzes. Als Zugabe dirigiert Krumpböck die erste der drei vom Komponisten zusammengestellten Suiten aus seinem Romeo und Julia-Ballett.
Das mittlerweile auf eine mehr als hundertjährige Tradition zurück-
blickende Orchester beweist in beiden Werken seine zahlreichen Qualitäten wieder einmal ein schöner Beweis für den qualitativen Reichtum der vielfältigen deutschen Orchesterlandschaft. Dass indes die Romeo und Julia-Suite nicht ganz so überzeugend geriet wie die Sinfonia Concertante, liegt in erster Linie an einigen allzu vorsichtigen Tempi, die dem tänzerischen Charakter der Musik nicht völlig zuträglich sind. Außerdem gibt es für dieses Stück natürlich zahlreiche Konkurrenz auf dem Tonträgermarkt. Dennoch: eine rundum empfehlenswerte Produktion vor allem für Musikliebhaber, die weder Prokofjews Cello-Sinfonie noch die formidable Solistin kennen.
Thomas Schulz