Prokofjew, Sergej

Sinfonia concertante / Concertino

Rubrik: CDs
Verlag/Label: Sony SMK 93489
erschienen in: das Orchester 06/2005 , Seite 79

Das Thema „Sergej Prokofjew und das Violoncello“ ist ohne Mstislav Rostropowitsch nicht abzuhandeln. Der junge Cellovirtuose hatte entscheidenden Anteil an der Entstehung und Gestalt der Werke für Violoncello, die Prokofjew nach seiner Rückkehr in die Sowjetunion in Angriff nahm. Unterbrochen von der Arbeit am 2. Violinkonzert und an dem Ballett Romeo und Julia, hatte sich die Komposition des Cellokonzerts op. 58 jahrelang hingezogen. Die Uraufführung Ende 1938 beschrieb Ohrenzeuge Svjatoslav Richter als „völliges Fiasko“.
Der Komponist hätte die Noten wohl nie wieder angerührt, wäre nicht ein Jahrzehnt später ein gottgeliebter Cellojüngling aufgetaucht, der sich des geschmähten Werks bravourös und vorurteilslos annahm (in einer Bearbeitung für Cello und Klavier). „Rostros“ Spiel begeisterte den Komponisten dermaßen, dass er ihm auf der Stelle versprach, das Konzert für ihn gründlich zu revidieren. Zwar ließ das Ergebnis fünf Jahre auf sich warten, doch hielt der Beehrte schließlich die Partitur eines völlig neu gefassten Konzerts für Violoncello und Orchester in Händen, das seit 1954 den Titel Sinfonia concertante op. 125 trägt – Unterpfand einer Künstlerfreundschaft, die ihren Ausdruck in weiteren Cellowerken fand: den Sonaten op. 119 und op. 134 sowie dem Concertino für Violoncello und Orchester op. 132.
Die Rolle des nachmals weltberühmten Cellisten als Geburtshelfer all dieser Werke ist kaum zu überschätzen. In den Sommern 1950/51 auf die Datscha des Komponisten geladen, musste Rostropowitsch dauernd gewärtig sein, dass der Maestro ihn herbeirief, um sich jede neue Wendung des alten Cellokonzerts – dessen Revision er von allen Ecken und Enden her anging – auf der Stelle vorspielen zu lassen. Auf diese Weise entstand das wohl gedankenvollste, farbenreichste und energiegeladenste Orchesterkonzert mit Solocello. Zugleich stellte und stellt die Sinfonia concertante in spieltechnischer Hinsicht die aberwitzigste Herausforderung dar. War dem hochvirtuosen Hausgast doch kein Springbogen zu rasch, kein Register zu entlegen, kein melodisches Gewebe zu fadenreich.
Um sich daran nicht das Genick zu brechen, bedarf es schon eines artistischen Kalibers und einer musikalischen Besessenheit, wie sie der junge Dresdner Hochschullehrer, Konzertsolist und Kammervirtuose Wolfgang Emanuel Schmidt besitzt. Als Meisterschüler von David Geringas, den Rostropowitsch „großzog“, wurden ihm jene künstlerischen Weihen zuteil, die ihn zum Hüter des Erbes befähigen, das Prokofjew der Cellistenzunft hinterließ. Dazu gehört nicht nur die konzertante Sinfonia samt der erleichterten Alternativfassung des 3. Satzes, die der Komponist entnervten Cellisten zugestand, sondern auch das luftigere Concertino in g-Moll op. 132, das Prokofjew unvollendet hinterließ. Rostropowitsch und der Komponist Dmitri Kabalewski vervollständigten es aus intimer Kennerschaft seines Spätstils: eine authentische Leistung, die Wolfgang Emanuel Schmidt mit seiner spannungsreichen Interpretation, die im Andante auch ironische Züge hörbar macht, hinreißend bestätigt und bekräftigt.
Verständlich, dass es ihn reizte, sein mit der NDR Radiophilharmonie Hannover unter Gabriel Feltz glänzend erarbeitetes CD-Programm um das populäre Adagio aus dem Ballett Cinderella zu ergänzen, das Prokofjew für Cello und Klavier arrangierte. Schmidt erlaubte sich nun eine orchestrale „Rückbearbeitung“, wobei er sich im Klangbild möglichst nah ans Original hielt. (Diese Bearbeitung wurde bei Sikorski verlegt.)
Lutz Lesle