Kenyon, Nicholas

Simon Rattle

Abenteuer der Musik. Aktualisiert und erweitert von Frederik Hannsen

Rubrik: Bücher
Verlag/Label: Henschel, Berlin 2007
erschienen in: das Orchester 07-08/2007 , Seite 75

Es ist ein umfangreiches, akribisches Buch, das fachlich höchsten Ansprüchen standhält; aber es macht einem Musikfreund die Lektüre nicht gerade leicht: nicht-enden-wollende Aufzählungen von Konzerten und aufgeführten Werken ermüden; dazu gibt es noch unzählige Kritiken und Interviews in Kleindruck. Wer wird sich durch dies alles durchackern?
Rattle hat als Wunderkind begonnen. Schon mit vier Jahren erfasste ihn eine wahre „Schlagwerk-Manie“, als Siebenjähriger vergnügte er sich bereits mit Partiturlesen, lernte dann Klavier und Violine spielen und beschäftigte sich mit Jazz. Mit fünfzehn Jahren dirigierte er in seiner Heimatstadt Liverpool, wo er 1955 zur Welt gekommen war, sein erstes öffentliches Orchesterkonzert. Danach absolvierte er in kürzester Zeit die Royal Academy of Music und gewann einen Dirigentenwettbewerb. Seine erste Stellung als Leiter eines Orchesters trat er in 1974 in Bournemouth an. Bereits dem 19-Jährigen Frühreifen wird Ausstrahlung, Autorität, Charme und Organisationstalent bescheinigt, womit wohl die wichtigsten Eigenschaften eines Dirigenten erwähnt sind. 1980 wurde er Chefdirigent des City of Birmingham Symphony Orchestra. In den 18 Jahren, die er dort gewirkt hat, reifte er zum Stardirigenten, dem eine Fülle von Gastdirigaten offenstanden: in Glyndebourne, bei den Wiener und Berliner Philharmonikern, im Londoner Covent Garden, beim Concertgebouw Orkest Amsterdam, in USA und in Japan. 1994, also mit neununddreißig Jahren, wurde ihm der Titel „Sir“ verliehen.
1999 endlich der „Gradus ad parnassum“: Er wurde als Chefdirigent der Berliner Philharmoniker berufen und setzte damit die erlauchte Ahnenreihe Bülow, Nikisch, Furtwängler, Karajan und Abbado fort. Bei seiner Wahl hat er den Mitbewerber Barenboim 43 zu 25 Prozent geschlagen, wobei prominente Dirigenten wie Kent Nagano oder Mariss Jansons nur unter „ferner liefen“ in Erscheinung traten. 2002 begann der „Traumprinz“ und „Wuschelkopf“ seinen Siegeszug. Dank seines außergewöhnlichen Charismas gelang es ihm, das Repertoire radikal zu verändern, Randgebiete einzubeziehen und viel Neue Musik durchzusetzen. In viereinhalb Jahren hat er 63 verschiedene Komponisten aufgeführt. Sein Orchestervorstand hat einmal gesagt, er habe drei Chefdirigenten erlebt, aber nur einen geliebt: Rattle.
Gerne hätte man etwas mehr über sein Privatleben erfahren. Es wird in dem Buch nur erwähnt, dass er nach zwei gescheiterten Ehen nun mit der Brünner Sängerin Magdalena Kozená liiert ist.

Günther von Noé