Celebidachi, Ioana
Sergiu, einmal anders
Meine Erinnerungen an Celibidache
Viel wurde über ihn geschrieben, seine komplexe Persönlichkeit aber nie ganz erfasst. Sergiu Celibidache blieb als weiser, genialer, kompromissloser Musiker ein Einsamer im Konzertleben. Seine Kritiker beschrieben ihn oft als einen cholerischen, selbstgerechten, sturen Despoten, der sich mit vielen anlegte und unverschämt hohe Gagen forderte.
In den Erinnerungen seiner Ehefrau Ioana Celebidachi lernt ihn der Leser nun wie auch der Titel verspricht von anderer Seite kennen: als einen großzügigen, gütigen Mann, der einen trockenen Humor besaß und oft an die Sorgen anderer dachte. Spielte er den Weihnachtsmann, griff er tief in die Tasche für ganz profane Dinge. Augenzwinkernd schildert die Autorin, wie Celi einmal bei einem Einkaufsbummel einem alten, zahnlosen Weiblein ein Gebiss spendiert habe.
Das Büchlein Sergiu, einmal anders enthält viele pointenreiche Anekdoten, die die Autorin assoziativ oder thematisch zusammenstellt. Auch formal wirkt es sehr persönlich: Ioana Celebidachi erzählt ihre Episoden
in 34 Briefen an eine Freundin. In den ersten skizziert sie die Vorgeschichte ihrer Künstlerehe. Geboren wurden Sergiu und Ioana in Rumänien, doch ihre Liebe entdeckten sie in Italien. Der Feuerkopf Celibidache, den die Frauen so umschwärmten, war auch privat ein großer Romantiker.
Die Dirigentengattin ist hauptberuflich auch eine Künstlerin, allerdings sind ihre Werkzeuge für gewöhnlich Pinsel, Kreiden, Farben und Tusche. Ihr Büchlein ist von leichter Hand geschrieben, erhebt jedoch keinen hohen literarischen Anspruch. Es lebt von den unglaublichen Abenteuern, die sie an Sergius Seite erlebt hat. In den vielleicht schönsten Geschichten lernt man den Charismatiker Celibidache als einen liebenswerten Tierfreund kennen, der sogar mit Krebsen und Langusten Mitleid verspürte. Einmal hat er einem staunenden Fischer seine gesamte Ware abgekauft und jubelnd zurück ins Meer geworfen.
En passant erfährt der Leser, dass Sergiu Celibidache auch komponiert hat. Und zwar nicht nur den Taschengarten, ein symphonisches Stück für Kinder, das er selbst uraufführte, sondern auch diverse andere sinfonische Werke, die jedoch bis heute nie aufgeführt wurden. Er hatte wohl keinen Ehrgeiz, sie dem Publikum vorzustellen.
Oft darf geschmunzelt werden, denn Sergiu, einmal anders ist in erster Linie ein heiteres Buch. Manche komödiantische Szenen wirken geradezu filmreif: Der Maestro, er fand tatsächlich einmal in Italien kurz vor einer Aufführung beim Umkleiden seine Hose nicht.
Mit dutzenden solcher aberwitziger, skurriler Anekdoten ist das schmale Bändchen eine höchst unterhaltsame Lektüre und eine wertvolle Ergänzung zu allen bisherigen Biografien über Sergiu Celibidache, in denen er privat stets unterbelichtet blieb. Schwarz-weiße Aufnahmen aus dem Fotoalbum der Familie runden diese Publikation ab, die das weit verbreitete Bild von Celibidache als einem grantigen, mürrischen Querulanten zurechtrückt. Besonders all jene, die ihn liebten und verehrten, werden ihre Freude daran haben.
Kirsten Liese