Lewis, Paul

Sérénade populaire

für Klarinette in B und Klavier

Rubrik: Noten
Verlag/Label: Schott, Mainz 2013
erschienen in: das Orchester 01/2014 , Seite 74

In den vergangenen Jahrzehnten beanspruchte auch die Pop- und Weltmusik den Begriff „Musikgeschichte“. Solange solche Musik nicht ausschließlich in der Kitschgrube vegetiert, ist dieses Anwenden seriöser Musikbegrifflichkeit zu ertragen. Gradmesser der kompositorischen Qualität mag sein, wie weit diese Musik ausgerichtet ist auf ein Massenpublikum und auf möglichst großen Profit. Nicht nur Brahms und Reger hatten auch den Hörer im Sinn, was Brahms einmal beklagte, weil er nicht so schreiben könne, wie er gerne möchte, weil er ja von seiner Arbeit leben müsse.
Auch bei der neuen Musik gibt es nicht selten den entsprechenden Grubenfall, wenn sie aus nichts anderem als Theorieanwendung, Konstrukten aus dem Computer-Notenschreibprogramm besteht und das „Komponistenohr“, warum auch immer, ganz ungebraucht lässt. Dies ist zwar oft schwerer zu erkennen; in der Grube liegt es trotzdem.
Dieser Vorspann scheint mir für die Zuordnung von Paul Lewis notwendig. Der 1943 geborene Engländer hat einen großen Namen als Filmkomponist, bedient sich zwar zwischen traditionell Jazzigem und Romantischem aus längst Bestehendem, weiß jedoch die Contenance zu wahren und hat seinen Anspruch, ohne dabei eine gewisse Eingängigkeit zu verlassen. Das Ehrliche im kompositorischen Tun zu diesem Duo für Klarinette und Klavier ist schon der Beifügung populaire zu entnehmen. Melodisch variierte Wiederholung rhythmischer Motive bedienen schnelles Erfassen und Genießen dieser Musik. Eingeleitet von einem „Andante espressivo con rubato“ wird die Klarinette im folgenden Allegretto spitz-keck, um dann im Tempo-I-Andante zusammen mit dem Klavier in Legato-Weichheit zu schwelgen. Das abschließende Allegro spirituoso zeigt eine behändere Klarinette mit oft „klaviergegenpartenden“ Synkopen-Akkorden, Themenaustauschen zwischen den beiden Beteiligten und rhythmisch-metrischen Breakes durch 7/8-Einschübe. Dies entwickelt sich nach einer klarinettistischen Minikadenz hin zu einer Stretta (Allegro molto), die fulminant und crescendo-unterstrichen mündet. In Phasen von teilweise septakkordisch beschmückten Vor-Nachschlägen geriert sich auch Klavierbegleitung in Reinform.
Außer dem schon im Titel steckenden unmittelbar erfassbaren Klangergebnis ist die gekonnte Behandlung der beiden Instrumente hervorzuheben, die anscheinend bewusst über einen gut mittleren Schwierigkeitsgrad nicht hinausgeht. Und das ist das Wertvolle im pädagogischen Sinn an diesem kleinen Werk: eine geringe Schwankungsbreite im Anforderungsgrad, fern jedem Ausraster zu technisch Schwierigerem. Virtuosität wird hier auf der Klarinette oft mit Wechseltönen bis hin zu trillerartigen Passagen sowie durch beschwingte Legato-Skalen erreicht. Das Tasten-
instrument verlangt nicht nach dem Klavierlehrer als Notnagel. Das Stück könnte für gute Schüler ein willkommenes musikalisches Zwei-Gänge-Menü aus Fühlen und Sprühen mit entsprechender Außenwirkung sein.
Maximilian Schnurrer