Reinecke, Carl

Serenade op. 242 / Zwölf Tonbilder / Konzertstück für Klavier und Orchester op. 33

Rubrik: CDs
Verlag/Label: ebs 6118
erschienen in: das Orchester 09/2006 , Seite 93

Carl Reinecke (1824-1910) machte sich über seinen Rang als Komponist keine Illusionen. 1860 schrieb er in einem Brief an Ferdinand Hiller: „Daß mir keine geniale, originale Erfindung zu Gebote steht wissen Sie“, und in seinen ungedruckten Erinnerungen Erlebnisse und Bekenntnisse resigniert er fast: „noch in meinem Nekrologe werde ich ein Komponist der Mendelssohn-Schumannschen Richtung genannt werden“. Diese neue CD erlaubt es, Stärken und Schwächen dieses Komponisten erneut kritisch und wohlwollend unter die Lupe zu nehmen.
Neugierig macht insbesondere die Ersteinspielung von Reineckes Konzertstück B-Dur für Klavier und Orchester op. 33. Das war auch 1848 noch durchaus auf der Höhe der Zeit, das von Weber und Mendelssohn entwickelte Konzept des Konzertstücks aufzunehmen, in einem einzigen, gut 17-minütigen Satz, wobei der langsame Mittelteil an Stelle der Durchführung des Sonatensatzes steht. Zum Streichorchester gesellen sich nur Flöte, Klarinette und Horn, was der Komposition einen im mehrfachen Sinne kammermusikalischen Charakter verleiht. Leider bleibt dieses Werk seltsam konturarm, melodisch unentschieden und rhythmisch selten (im Hauptthema) markant, pianistisch flüssig, aber nicht wirklich dankbar. Stellenweise hört man kaum mehr als harmonische Felder, die freilich durchaus ihren Reiz haben.
Viel erfreulicher wirken die beiden Werke für Streichorchester: die späte Serenade g-Moll op. 242 und die 1887 aus verschiedenen Stücken für die Jugend zusammengestellten Zwölf Tonbilder. Offenbar war Reinecke weniger der große Bogen gegeben als vielmehr ein besonderer Sinn für die musikalische Miniatur. Sogar prägnante Themen konnte er erfinden, so lange es um volkstümliche oder klassizistische Zeichnungen ging. Dann gelang ihm oft unsentimentale romantische Atmosphäre wie in Frieden der Nacht nach einem eigenen Kinderlied, selbst ein eigentümlicher Humor wie in der Fughetta giojosa der Serenade, die klammheimlich zu einem kleinen Walzer wird.
Mit vorbildlicher Klarheit bringt uns das Südwestdeutsche Kammerorchester Pforzheim unter seinem langjährigen Leiter (1986-2002) und jetzigen Gastdirigenten Vladislav Czarnecki diese Musik nahe, ihren manchmal etwas eckigen Charme ebenso wie ihren aufrichtigen Ausdruck. Die offenbar trockene und dennoch tragende Akustik im Konzertsaal des Johanneshauses („Zentrum für Lebensgestaltung im Alter“) in Niefern-Öschelbronn bei Pforzheim trägt das Ihre dazu bei. Leider gelingt es dem Dirigenten, dem Orchester und auch der entschieden agierenden Pianistin Sontraud Speidel nicht immer, Reineckes Zug zum etwas Betulichen genügend entgegenzusetzen. Was die CD aber nicht weniger hörenswert macht.
Ingo Hoddick